Zeitenwende

Seperation/Interbeing

Auszug aus: Charles Eisenstein, „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“

„Wer bin ich?“ (…) „Die Mystiker haben uns seit vielen tausend Jahren eine Antwort angeboten – zwei Antworten. Einerseits, streifen Sie alles ab, was Sie mit dieser Welt verbindet, Ihr Geld, Ihre Beziehungen, Ihre Arme und Beine, Ihre Sprache, und noch immer ist etwas übrig, das „Sie“ sind. Ich bin nicht dies. Ich bin nicht das. Etwas minus alles ist nichts; daher die erste Antwort: Sie sind nichts. Wenn wir uns jedoch darauf einlassen, erkennen wir, dass nichts nicht nichts ist; es ist alles: Alle Dinge entspringen aus der Leere, und ein Fleckchen Quantenvakuum hat  die Energie einer Milliarde Sonnen.

Daher also die zweite Antwort: Sie sind alles. Nehmen Sie selbst die kleinste Beziehung weg, und auch Sie sind verkleinert; fügen Sie eine hinzu, und Sie sind größer; verändern Sie irgendein Wesen im Kosmos, und auch Sie werden verändert. Sie sind daher alles: ein Netz aus Beziehungen, von denen jede alle anderen umfasst.

Das ist das Selbst des Interbeing. Der „Situation“ entkleidet, ist Ihre Aufmerksamkeit meine Aufmerksamkeit, ist jedermanns Aufmerksamkeit. Wir sind dasselbe Wesen, das durch verschiedene Augen auf die Welt blickt. Und diese „Augen“, diese Blickwinkel, sind alle einzigartig. Wie es der Komiker Sami Beyondananda sagt: „Sie sind ein völlig einzigartiges Wesen – genau wie jeder andere!“

Mehr werde ich nicht über die Natur des Seins sagen. Je mehr ich sage, desto weniger wahr wird es. Außerdem, wer bin ich, zu wissen, was „Sie“ sind? Also sagen wir einfach, dass das separate Selbst, als das wir in den vergangenen paar Jahrhunderten in verschiedenen Erscheinungsformen lebten, eine von vielen möglichen Geschichten vom Selbst ist.

Wer sind Sie? Es ist keine objektive Frage, welche Geschichte und welches Selbst für Sie real ist. Keine noch so große Menge an Beweisen wird sie je beantworten; nicht nur das, es gibt nicht einmal eine objektive Faktenlage. Gleichwohl gibt es das, was wahr ist. Merken Sie, wie sich die Wahrheit darüber, wer Sie sind, verändert? Wissen Sie, dass Sie immer weniger das Selbst der Separation sind?

Jenes separate Selbst, das sich fürchtet, zu schenken, fürchtet, zu dienen, jenes Opfer unpersönlicher Kräfte ohne Einfluss auf die feindliche Welt dort draußen ist genau das Selbst, das Beweise dafür sucht, dass es nicht dieses Selbst ist. Ich kann Ihnen das nicht beweisen, ich kann nicht beweisen, dass die Geschichte des Interbeing wahr ist, so wie in der Politik oder oft sogar in der Wissenschaft keine Seite der anderen beweisen kann, dass sie recht hat. Sich auf sichere Beweise zu verlassen ist Teil der alten Geschichte, zu der das gehört, was wir Objektivität nennen. Sie werden sich entscheiden müssen, und Sie können sich nicht länger mit der Suche nach Beweisen vor dieser Entscheidung drücken. Das gilt für jede Frage, vor der Sie stehen. Welche Ansicht ist wahr? Umso mehr gilt das für die Frage: „Wer bin ich?“

Höre ich immer noch den Zyniker, den betrogenen, sagen: „Was passiert, wenn ich mich entscheide, das Selbst des Interbeing zu sein und daher in einer Welt-Geschichte zu leben, in der Heilung möglich ist, aber mich nur selbst damit täusche?“ Diese Frage, das erkennen Sie vielleicht, ist von der gleichen Energie getragen wie: „Werden wir es schaffen?“ Es ist das wehleidige Geheule des separaten Selbst. „Was, wenn ich allein bin? Was, wenn ich schenke und diene, aber kein anderer in dieser feindlichen Welt gibt mir etwas zurück und sorgt sich um mich?“ Die Schlussfolgerung: “Ich gehe besser auf Nummer sicher. Ich sollte mich lieber um meine eigenen Interessen kümmern und zusehen, dass ich für mich die größtmögliche Sicherheit habe.“ Jetzt addieren Sie Milliarden von Menschen zusammen, die alle das Gleiche denken und danach handeln, und Sie sehen, dass es an unserer kollektiven Verstrickung in diese Geschichte liegt, dass wir ihr Abbild und ihre Bestätigung in der Welt um uns herum geschaffen haben. Wir haben den Beweis selbst verursacht, den wir dann in das Fundament unserer Geschichte als eine Rechtfertigung für sie einbauen.

Entscheiden Sie sich, in einer neuen Geschichte zu leben, und Sie werden eine ähnliche, sich selbst bestätigende, positive Rückkopplungsschleife erleben. Sie werden in eine andere Welt mit anderen Gesetzen übergewechselt sein. Ich bekomme die ganze Zeit Briefe, in deine Dinge stehen wie: “Ich habe mein ganzes Geld hergegeben und kann kaum glauben, welche Magie sich in meinem Leben entfaltet hat.“ Manchmal raten New-Age-Lehrer, die von solchen Geschichten wissen oder an sich selbst die Ergebnisse der Befreiung aus der Mangelprogrammierung erlebt haben, dass die Menschen ihre Ansichten rund ums Geld ändern sollen. Leichter gesagt als getan, wenn diese Ansichten Teil eines viel größeren Mosaiks sind, eines Integralen Musters, in dessen Zentrum die Frage steht: „Wer bin ich?“ Nur wenn sich das verändert, können sich die mit ihm in Zusammenhang stehenden Ansichten ändern und es in ein neues und schöneres Muster auflösen. Solange sich allerdings „wer ich bin“ nicht geändert hat, wird es alle übrigen Überzeugungen wieder in Übereinstimmung mit sich selbst und mit der Separation bringen, wie sehr Sie sich auch immer bemühen, „Negativität“ zu vermeiden. Negativität ist fixer Bestandteil unserer grundlegenden Mythologie von Selbst und Welt.

Schlussendlich wird es, wenn man sich nicht zumindest teilweise auf die Geschichte des Interbeing eingelassen hast, nicht möglich sein, isolierte abgeleitete Ansichten zu verändern, und man wird auch nie etwas anderes als immer nur das Abbild der Separation in der Welt hervorbringen. Nichts, was Sie tun, wird wirklich von Nutzen sein. Selbst wenn Sie gegen den Eigennutz kämpfen, um ein „guter Mensch“ zu sein, dienen Sie immer noch dem Ziel, (sich selbst older anderen) als ein guter Mensch zu erscheinen, statt tatsächlich anderen Menschen und der Welt zu dienen. Also hören Sie auf, zu versuchen, ein guter Mensch zu sein. Entscheiden Sie sich stattdessen, der oder die zu sein, die Sie sind. Was Sie dann davon ausgehend schaffen, wird ein viel größerer Dienst sein als alles, was Sie aus verdeckter Eitelkeit erreichen. Außerdem ist das halb bewusste Konzept, „gut zu sein“, hoffnungslos mit den Mechanismen sozialer Konformität und bürgerlicher Moral verstrickt, die dazu dienen, den Status quo aufrechtzuerhalten. Das hält uns davon ab, die kühnen Taten zu setzen welche die alte Geschichte unterbrechen. In dieser Hinsicht könnten wir sogar etwas von den Psychopathen lernen.

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