„Mit der Entwicklung der Landwirtschaft wurde eine neue Form jugendlicher Störung möglich (und in der Tat unvermeidbar) – eine Störung, die mit der Gier beginnt und mit Horten, Herrschaft und Gewalt endet. Vor der Einführung der Landwirtschaft gab es kaum etwas zu horten, denn es gab kaum materiellen Überschuss. In den Stämmen der Jäger-Sammler war (im materiellen Sinne) niemand bedeutend reicher als die anderen. Das überleben des Stammes hing im Wesentlichen von der Kooperation seiner Mitglieder ab. Extreme oder krankmachende Selbstsucht wurde nicht geduldet. Doch mit dem Aufkommen der Landwirtschaft (der Domestikation ausgewählter Tier- und Pflanzenarten) kam auch die unvermeidbare pathogene Idee persönlichen Besitzes und die Möglichkeit, dass einige Menschen zu dem Schluss kommen, es sei eine gute Idee, Dinge für sich selbst anzuhäufen.
Sobald ein auf Landwirtschaft basierender Stamm auch nur ein einziges Individuum hervorbringt, das zu horten beschließt – und bereit, sowie willens ist, zu diesem Zweck tödliche Gewalt zu verwenden – beginnt sich das kulturelle Gewebe dieser Gesellschaft aufzulösen. Andere Individuen werden ebenfalls damit beginnen, Dinge zu horten, um sich selbst zu schützen. So wird der Stamm zunehmend materialistischer, wettbewerbsorientierter, antropozentrischer, und gewalttätiger. Bald folgt eine Struktur verschiedener wirtschaftlicher Klassen und schließlich die Sklaverei.
Über kurz oder lang wird der Herrscher eines solchen Stammes (üblicherweise ein männliches, patho-adoleszentes Individuum) entscheiden, dass es eine weitere gute Idee sei, andere Stämme zu überfallen, um deren Getreide, Tiere, Frauen und sonstige Reichtümer in seinen Besitz zu bringen. Das ist der Beginn des Imperiums. Wie der Historiker Andrew Schmookler in seinem Buch The Parable of the Tribes: The Problem of Power in Social Evolution (Albany: State University of New York Press, 1995) beschreibt, haben die Nachbarstämme jetzt vier verschiedene Möglichkeiten: Sie können erstens ausgelöscht, zweitens erobert und assimiliert werden, drittens selbst aggressiv Krieg führen oder viertens fliehen (soweit abwandern, bis eine ausreichende Distanz zu den gewalttätigen Stämmen hergestellt ist). Und das ist, auf die Größe einer Nussschale gebracht, die Geschichte unserer Welt in den letzten paar tausend Jahren.
Schließlich gerieten die meisten Gesellschaften unter die Kontrolle pathologischer (soziopathischer) adoleszenter Führer (üblicherweise männliche Tyrannen), welche die kulturellen Traditionen systematisch so veränderten, dass sie deren Dominanz unterstützten. Zu diesen Veränderungen gehörten (und gehören) anthropozenttrische, androzentrische Religionsformen, eine Bevorzugung feindlicher Konkurrenz gegenüber Kooperation, Land-„Eigentum“, die Unterdrückung von die Natur verehrenden und auf ihr basierenden Ritualen, die Bildung von sozialen Schichten und Sklaverei, Rassismus, Sexismus, Militarismus, plutokratische Regierungsformen, die systematische Ermordung echter Erwachsener und Ältester (Schamanen sowie andere kulturelle und spirituelle Führer), obligatorische, egozentrische Bildung und Erziehung sowie der daraus resultierende ökologische Bildungsmangel und vielleicht auch die gegenwärtige Zerstörung einer gesunden Gesellschaft: die Schaffung von Konzernen mit persönlichen Rechten.
Die Unterdrückung der dem Menschen innewohnenden Fähigkeit, in ein echtes Erwachsenensein und wahre Ältestenschaft hineinzuwachsen, ist ein grundlegendes Resultat dieser und anderer kultureller Umwälzungen, was die kulturellen Ressourcen, welche die menschliche Entwicklung unterstützen, noch weiter untergraben hat. Diese Störung des natürlichen Verlaufs menschlichen Erwachsenwerdens ist ein zentrales Ziel aller Herrscher-Gesellschaften – aus dem einfachen Grund, dass Kinder und in der Entwicklung begriffene Jugendliche (jeden Alters) viel leichter als echte Erwachsene und Älteste zu kontrollieren und zu dominieren sind.
Im zwanzigsten Jahrhundert erreichte dieser Prozess der kulturellen Zersetzung und auf Gier basierenden Imperiums-Bildung in zweierlei Hinsicht seinen unvermeidbaren Höhepunkt. Zum einen ist mittlerweile fast jeder „Stamm“ dieser Erde vom modernen kulturellen Herrschermodell assimiliert worden: der globalen industriellen Wachstumsgesellschaft. Es gibt buchstäblich keinen Ort mehr auf der Erde, an dem gesunde partnerschaftliche Gesellschaften noch in Frieden leben könnten. (Auch wenn in den abgelegensten Ecken des Planeten vielleicht noch die eine oder andere existiert). Zum anderen droht der gesamten menschlichen Art mittlerweile die Auslöschung durch die industrielle Wachstumsgesellschaft.
Als Konsequenz daraus sehen wir uns mit der weltweiten Notwendigkeit konfrontiert, mit allen Wesen (menschlich oder nicht) zusammen zu arbeiten und Partnerschaften zu bilden – oder unterzugehen.“
Bill Plotkin