Wir sollten uns endlich wach atmen. Denken funktioniert nur mit ausreichend Sauerstoff. Wer immer nur flach und oberflächlich Luft gerade mal ins obere Drittel der Lunge holt, dessen Gehirn und gesamter Körper kann nur Schmalspurleistungen erbringen. Sauerstoff verbindet uns mit dem Leben. Er ist Leben.
Wir brauchen die Verbindung in uns. Sind Kopf, Herz und Bauch gut verbunden, sind wir mit uns in Kontakt. Wir spüren unseren Körper, unsere Sehnsucht, unsere Abneigung. Spüren wir uns, können wir auch andere spüren. Wir erkennen, ob unser Gegenüber authentisch ist, ob wir der Wahrheit oder der Lüge begegnen. Sind wir mit unserem Körper in Kontakt, kann uns niemand manipulieren.
Die Welt wird sich verändern, je mehr Menschen den Mut finden, sich ihren inneren Dämonen zu stellen, denn wir haben nie Angst vor den Dämonen da draußen, sondern vor denen in uns.
Wir alle haben einen Sozialisationsprozess hinter uns. Das wissen wir. Aber wir wissen nicht, was wir damit meinen. Ein kleiner Auszug aus Wikipedia: „Sozialisation ist demnach die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Internalisation (Verinnerlichung) von sozialen Normen.“ Sozialisation zielt also auf eine Anpassungsleistung. Wir definieren also uns, in Gestalt unserer Kinder, als nicht in Ordnung, so wie wir sind. Wir sehen uns als Wesen, die geformt werden müssen, um gut in Gemeinschaft zu leben.
Interessant dabei ist, dass dies schon seit Beginn pädagogischer Ideen und daraus abgeleiteter Erziehungsmassnahmen so gesehen wird. Dass der Ansatz nicht hält was erwartet wird, ist offensichtlich. Streit, Kriege, Feindschaften sind damit nicht verschwunden. Im Gegenteil. Mit den Waffen, die inzwischen existieren, könnten wir die gesamte Menschheit mehrmals auslöschen. Wieso erkennen wir nicht, wie sehr unser Erziehungsansatz ins Leere läuft? Oder ist er sogar der ursächliche Grund für Leid, für unsere Entfremdung von uns und unserer Mitwelt?
Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sie verbunden. Mit sich, mit der Welt, mit ihrer Mutter, in deren Körper sie neun Monate heranwuchsen. Sie sind vollkommen offen, wahrhaftig und voller Liebe. Es gibt an ihnen nichts zu verbessern. Wie sollte es auch? Wieso sehen wir das nicht? Nach Arno Gruen (Arno Gruen, „Der Fremde in uns“) können wir es nicht sehen, weil wir der gleichen Prozedur ausgesetzt waren, der wir jetzt unsere Kinder unterziehen. Wir wurden als Kinder zu Objekten degradiert (er nennt es: zum Opfer gemacht), und als ‚nicht-okay‘ gelabelt.
Um die Zuwendung unserer Eltern zu uns zu erhalten, mussten wir die Teile, die sie an uns nicht wollten, abspalten. Seit wir sie in uns nicht mehr ertragen wollen, erleben wir sie im Außen. Wir sehen sie in anderen Menschen, in Tieren, in der Natur. Unser kreatives Chaos wird zur zwanghaften Ordnung der Monokulturen, zu grünen Rasenwüsten, zu steinigen Vorgärten, giftverseuchten Flüssen und Böden. Unsere Wut richtet sich auf die Tiere in Ställen und Schlachthäusern, denen wir jegliche Empfindungsfähigkeit, jedes Recht auf Freude und Freiheit absprechen. Wir sehen uns in ihnen durch die Augen unserer ersten Bezugspersonen als klein, unvollkommen, als das Objekt, das sie in uns nicht ertragen konnten. Und dann glauben wir noch, uns etwas Gutes zu tun, wenn wir ihr mit Hormonen, Medikamenten und Adrenalin verseuchtes Angstfleisch verschlingen – nein, Biohaltung macht es auch nicht besser! Stattdessen holen wir uns winzige Hündchen in die Wohnung, statten sie mit Mäntelchen und Schmuck aus, um sie dann, ganz Ausdruck unserer großen Liebe, mit Leckerlis, Törtchen und mehr, dick zu füttern, während wir unsere „Liebsten“ anschließend für teueres Geld zum Tierarzt bringen, der die Zivilisationskrankheiten der Tiere mit den wunderbaren Errungenschaften der tiermedizinischen Pharmaindustrie wieder ins Lot bringen soll. Dabei haben wir Gefühle von Selbstmitleid. Schließlich ist ja unser Liebling krank „wie soll ich ohne ihn leben“ und „teuer ist es!“. Mit Liebe hat das alles nichts zu tun. Es befriedigt im besten Fall romantische Dramagefühle, die wir an die Stelle echter Gefühle gesetzt haben. Im wahrscheinlicheren Fall lässt es uns innerlich immer leerer und starrer werden. So wie wir heute die Welt um uns, andere Menschen, letztlich uns selbst behandelt, so wurden wir behandelt. Da ist keine Willkür und kein Zufall. Wir wiederholen nur das, was uns angetan wurde.
Da stehen wir jetzt. Haben alle Gefühle, die unsere Eltern nicht bei uns ertragen konnten (da sie sie selbst abspalten mussten), nach außen projiziert und bekämpfen sie dort mit aller Macht. Genau hier ist unser Ausgangspunkt. Solange wir das nicht erkennen können, geht es nicht weiter. Wie sollen wir wissen wohin der nächste Schritt führt, wenn wir nicht wissen wo wir sind?
Daher bleiben wir erstmal hier und gehen in uns. Ganz tief und von dort noch etwas weiter nach unten. Sind wir tief genug, hören wir das Heulen und Wüten unserer Dämonen. Vielleicht gelingt es uns nach einer Weile sogar, unser eigenes wildes und ungezähmtes Wesen darin wahrzunehmen und den darin versteckten Schrei nach Freiheit, Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit, nach einem einfachen und sinnvollen Leben zu hören.
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