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Wir alle sind Natur

Wir alle sind Natur

Landwirtschaft …


„… man geht davon aus, dass es „Experten“ mit „objektivem“ Wissen gäbe, die von anderen Menschen getrennt und ihnen überlegen seinen: den gewöhnlichen Männern und Frauen, Bauern, Arbeitern und Experten anderer Wissenstraditionen, wie etwa Ayurveda und Agrarökologie. Diese Separieren ist eine „Wissensapartheid“.
Das mechanistische Denken ist auch ein militarisiertes Denken. Es gründet sich auf Gewalt und führt zu Gewalt. Es ist seiner Natur nach gewalttätig, weil es die Natur für tot erklärt; es ist dem Wissen gegenüber gewalttätig, weil es unsere Fähigkeit zerstört, als Teil der Natur zu denken und zu handeln und gewaltfreie Mitschöpfer zu sein; es ist ökologisch gewalttätig, weil es durch seine Unwissenheit Prozesse stört, die das Leben von Organismen, Ökosystemen und der Erde selbst aufrechterhalten; es ist sozial gewalttätig, weil es blind ist für das von Bäuerinnen und Bauern und indigenen Kulturen verkörperte Wissen und es ächtet, obwohl die Welt es heute so dringend braucht, um den Planeten und die menschliche Gesellschaft zu heilen.
Das mechanistische Denken ist ein privatisierendes Denken. Es fördert die Einhegung der Gemeingüter der Natur, der sozialen Gemeingüter und des Gemeinguts unseres Wissens ebenso wie die Biopiraterie (die Nutzung bzw. Patentierung bisher frei verfügbarer biologischer Substanzen). Während es sich traditionelles Wissen aneignet, privatisiert und patentiert, errichtet das mechanische Denken eine künstliche Mauer, eine „Wertschöpfungsgrenze“. Traditionelles Wissen wird „Innovation“ und „Erfindung“ genannt und wird durch die Patentierung zu Privateigentum.“

Vandana Shiva

Wir alle sind Natur

Ich kann meine Hände verlieren und dennoch leben. Ich kann meine Beine verlieren und dennoch leben. Ich kann meine Augen verlieren und dennoch leben. Ich kann meine Haare verlieren, meine Augenbrauen, Nase, Arme und vieles andere, und dennoch lebe ich.

Aber wenn ich die Luft verliere, sterbe ich. Wenn ich die Sonne verliere, sterbe ich. Wenn ich die Erde verliere, sterbe ich. Wenn ich das Wasser verliere, sterbe ich. Wenn ich die Pflanzen und Tiere verliere, sterbe ich. Sie alle sind mehr ein Teil von mir, notwendiger für jeden meiner Atemzüge, als mein sogenannter Körper.

Was ist mein wirklicher Körper?

Jack D. Forbes, indianischer Aktivist,
Schriftsteller und Wissenschaftler, 1979

Wir alle sind Natur

[ …] Besser als dich vor deinem Tod zu verstecken oder deine Angst davor zu unterdrücken, ist es, deinen Tod zu umarmen. Es wird dir helfen.

KIM: Wieso denn?

THOMAS: Weil es dich dazu bringt, dich zu zeigen. Gerade weil du dir der Grenzen des Lebens bewusst bist, musst du zwangsweise hervorbringen, was in dir ist; dies ist die einzige Zeitspanne, die dir zur Verfügung steht, um dich zu zeigen. Du kannst dich nicht zurückhalten oder in einer Höhle verstecken, du kannst deine Zeit nicht mit einer bedeutungslosen Arbeit vergeuden und dein Leben mit Trivialitäten vollstopfen – die Dramatik der kosmischen Geschichte würde das nicht zulassen. Den größten Nachdruck legt das Leben darauf, dass du dich auf das Abenteuer einlässt, dich selbst zu erschaffen. Jeder Augenblick deines Lebens trägt unendliche Bedeutung in sich; alles ruht nun auf deiner schöpferischen Kraft, dich selbst zu formen, denn aus dir heraus kommt die höchste Wirklichkeit. Die Kräfte, die die Sterne formten, sind nun in deinem Selbst-Bewusstsein, und sie schaffen für dich dein ureigenes und freiheitliches Abenteuer, deine Überraschung für das Universum.

Ja, der Tod ist erschreckend. Spiel das nicht herunter, Versuch nicht, ihn zu verharmlosen oder deine kümmerlichen Vorstellungen auf ihn zu projizieren. Gebrauche stattdessen das Bewusstsein deines Todes als Licht oder Treibstoff: als geheimen Führer, der dich in die unbekannten und geheimnisvollen Höhlen deines Ichs führt, damit du ans Licht bringen kannst, was du wirklich bist. Deine Kreativität braucht dein Todesbewusstsein, um Energie frei setzen zu können, genau wie deine Muskeln ausdauerndes und schmerzhaftes Training brauchen. Würdige dein Todesbewusstsein als Geschenk des Universums an dich. Wenn dir dieser Weg, den unendlichen Wert jedes Augenblicks zu sehen, nicht gegeben wäre – was sonst würde dich dazu bringen, dein Leben zu leben?

Das Aufregende gerade an unserer Zeit ist die drohende Vision unseres Todes als Spezies, unseres ganzen Planeten. Sicher, das ist Angst einflößend, schrecklich und entsetzlich. Doch gerade diese Erkenntnis birgt die Macht, unsere tiefsten Reichtümer freizusetzen. Wir können nicht mehr länger mit unserem bisherigen Weltbild leben. Wir wissen, dass wir etwas zu tun haben, dass wir etwas verändern und neu schaffen müssen, und zwar in der grundsätzlichen Sicht der Dinge. Die erschreckende Vision einer erloschenen Erde ist psychische Nahrung für die menschliche Spezies. Sie versorgt uns mit der Energie, die wir benötigen, um uns selbst als Kopf und Herz unseres Planeten neu zu erfinden. Wir unternehmen gerade die ersten Schritte hinein in die planetarische und kosmische Dimension des Lebens, indem wir unser anthropozentrisches modernes Zeitalter verlassen, um in das erwachende kosmozentrische Universum einzutauchen.

KIM: Aber was heißt das, Kopf und Herz unseres Planeten zu werden?

THOMAS: Das heißt, dass wir uns in unserem Leben bewusst werden müssen, dass sich die Kräfte, die die Erde schufen, durch uns ihrer selbst bewusst werden. Aus diesem Grund reden wir über den Nachthimmel, das Meer und das Land. Sie alle enthüllen kosmische Kräfte, die wir haben und zu denen wir werden sollen. Wir sollen als Verlockung und Erinnerung leben, als funkelnde Sensibilität. Und das ist mit der kosmischen Dynamik gemeint, die durch die verschiedenen Lebensformen offenbar wird: Überraschung und Abenteuer. Nenn es ein Spiel – ein Spiel voller Abenteuer und Überraschungen. Das ist es, was das Leben offenbart – das ist das Leben.

Das Universum ist ein grüner Drache, Brian Swimme

Wir alle sind Natur

Vandana Shiva: Die Absicht hinter unserer Entfremdung von der Natur.
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Der Weg

Wir alle sind Reisende. Auf diese Welt kommend, tragen wir ein Licht in uns, das unseren ganz eigenen Duft, unsere ganz spezielle Farbe, diesen ganz besonderen Klang trägt, den wir der Welt schenken möchten. Dieses Licht ist eine machtvolle Kraft, die danach drängt, sich zu zeigen, die Welt durch ihre feine Besonderheit zu bereichern und zu vervollständigen. Es ist unsere Lebensenergie, unsere Shakti, die in uns aufsteigen und durch uns in die Welt gelangen möchte. 

Dies geschieht ganz leicht, ohne besondere Anstrengung. Diese Energie steht immer zu unserer Verfügung. Bei jeder Entscheidung, bei jedem Menschen, den wir treffen, bei allem, was wir im Außen wahrnehmen, sendet sie Impulse in unser Bewusstsein. Wir alle kennen das Gefühl der Weite, wenn wir den Sonnenuntergang beobachten oder an einem warmen Sommerabend, weit ab von der Stadt, die Pracht des Sternenhimmels genießen. Die Wärme und Freude, die in uns aufsteigt und wie ganz von selbst, ein Lächeln auf unsere Lippen malt. Die gleiche Energie schickt uns Impulse in jeder Lebenslage.

Der Prozess gerät dann ins Stocken, wenn Kinder mit einer Mischung aus Angst, Druck und Liebesversprechen ihrer inneren Entwicklung, dem in jeder Zelle verankerten Wissen, ihrem tiefen Lebenswissen, entfremdet werden. Eigentlich bräuchten sie Begleitung darin, genau diese Melodien in sich wahrzunehmen, sie mit der Welt im Außen zu verbinden und ihnen zu vertrauen. Stattdessen erfahren sie, dass ihre Erwachsenen den aufsteigenden Impulsen bei sich selbst nicht trauen, sie vielleicht gar nicht wahrnehmen oder über sie hinweggehen.

Jahrtausende der Fremd- und Selbstunterdrückung haben dazu geführt, dass wir uns von dem machtvollen Wissen und Weben in jeder unserer Zellen abgeschnitten haben. Die alten GöttInnenbilder, mit denen wir es beschrieben haben, sind im Wind verweht, aber niemals verloren. Diese Macht ist so großartig, so prächtig und stark, dass sie nicht vergehen kann. Alles, was wir wirklich sind, ist sie. Sie ist das Murmeln des Baches, der Wind, der die Blätter der Eiche bewegt. Sie lässt unsere Haare wachsen, das Gras aus der Erde sprießen. Sie macht, dass die Erde sich dreht und mit einer irren Geschwindigkeit durch das Weltall rast. Sie ist Geburt, Leben und Tod, das ewige Werden und Vergehen, das uns manchmal solche Angst bereitet. Sie ist das Versprechen auf einen immer wieder neuen Anfang und ein tröstliches Ende. Gerade der ewige Kreislauf erzählt von Erneuerung. Nicht im ewigen Leben, sondern im ewigen Vergehen liegt die Erneuerung verborgen wie ein wundervoller Schatz. 

Wir können uns jederzeit auf den Weg machen, um uns wieder bewusst mit dieser Kraft in uns zu verbinden. Sie ist da und wartet auf uns, ruft uns, klopft machtvoll oder leise an unser Bewusstsein. Manche hören ihren Ruf sehr stark, andere finden behutsam zu ihr. Wie auch immer, eines ist gleich. Ihr Ruf lässt unser Herz weit werden. Alles öffnet sich, Möglichkeiten zeigen sich und ja … dieser Stimme zu folgen gibt uns ein Gefühl von Abenteuer, von einem Risiko, das wir eingehen müssen. Ein Prickeln steigt bis in unsere Kehle auf, dringt in die Schultern vor und lässt unsere Augen blitzen. Dann gehen wir los und beim Gehen schiebt sich der Weg unter unsere Füße.

Wir alle sind Natur

„Eine Pflanze, so dachte ich auf der Waldwiese, ist nicht allein das aktuelle Resultat aller Einflüsse, die auf sie eingewirkt haben – in ihr sind all diese Erfahrungen noch Gegenwart. Wenn neue Borke um eine Verletzung wächst, die der achtlos eingepflockte Stacheldraht geschlagen hat, dann zeigt sich am Ende vor allem eines: wie die Pflanze mit dieser Wunde weiterleben konnte. Lebewesen bilden Narben um ihre Verletzungen und konservieren damit in der Heilung den Schmerz des Zusammenstoßes. Sie umschließen die Vergangenheit wie einen Kern. Ihre Körper sind diese Vergangenheit. In ihnen gewinnt etwas Nichtstoffliches eine Form.

Wenn sich die Physik des Lebens nur in den Begriffen des Seelischen umfassend genug ausdrücken lässt, dann müssen sich dessen Spuren auch als physikalische Realität zeigen. Wenn die Erscheinungsform der Wesen die Subjektivität ist und erst deren Bedürfnisse die Stoffströme durch eine Zelle regeln, dann muss der Stoff eines Wesens folgerichtig diese Subjektivität zum Ausdruck bringen und somit geradezu Seele darstellen. Sollte sich eine solche Idee bewahrheiten, wäre die Natur keine stumme Kulisse mehr, sondern durchflutet von Ausdruckskraft. Dann wäre das Empfinden der Wesen in deren körperlicher Gegenwart zugänglich.

Das heißt freilich nicht, dass andere Organismen unsere Gefühle teilen und ausdrücken. Das zu glauben wäre naiv. Mit “Seele“ meine ich weder die christliche Vorstellung, Ebenbild des Schöpfers zu sein, noch das Unbewusste der Psychologen im Gefolge von Sigmund Freud. “Seele“ heißt, dass etwas den Organismus zusammen hält, was nicht allein den Anziehungs- und Abstoßungskräften der Atome entspringt, sondern der Sorge um seine Fortexistenz. “Seele“heißt Betroffenheit – und genau deren Empfindung ist uns bekannt. “Seele“ heißt Innerlichkeit, und es ist diese, die wir mit den anderen Wesen gemeinsam haben, in wie geringem Maße auch immer. Gewiss ist fremde Innerlichkeit nicht von den menschlichen Begriffen und Gefühlen wie Erfolg und Verlust, Trauer und Triumpf durchdrungen. Was wir aber mit anderen Wesen teilen, ist das Bangen um die Existenz, das den Kern jedes “autonomen Akteurs“ ausmacht. Worin wir ihnen gleichen, ist die verletzliche Außenseite, in der sich diese Innerlichkeit ausdrückt.“

Andreas Weber, “Alles fühlt“

Wir alle sind Natur

Die größte Bedrohung für das Leben auf der Erde sind nicht die Emissionen der fossilen Brennstoffe, sondern der Verlust von Wäldern, Boden, Feuchtgebieten und marinen Ökosystemen. Das Leben erhält das Leben. Wenn diese Beziehungen zusammenbrechen, sind die Ergebnisse unvorhersehbar … dies ist eine Bedrohung, der wir ausgesetzt sind, und da sie von vielen Faktoren abhängt, die noch dazu nicht-linear sind, kann sie nicht durch einfache Reduzierung der CO2-Emissionen überwunden werden.

Charles Eisenstein, “Klima. Eine neue Perspektive.“