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Spirit

Mythen und Märchen

Und so entstand …

Im Hinduismus gibt es den Mythos von Shiva, Parvati und Kama. Shiva ist einer der höchsten hinduistischen Götter. Er verkörpert Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung. Kama ist der Gott der Liebe und der Erotik.

Es wird gesagt, dass sich Shiva nach dem Tod seiner Frau Sati voll Trauer auf einen Berg zurückzog, um zu meditieren. Seine Meditation war so tief, dass sie Äonen dauerte.
In dieser Zeit nun hatte ein Dämon großen Einfluß genommen und begann die Welt nach seinem Bild umzuformen und nur Shiva konnte ihn stoppen. Zur gleichen Zeit lebte auch Parvati, Sati’s Wiedergeburt. Täglich ging sie zu Lord Shiva, um ihn mit ihren Tapas zu ehren, in der Hoffnung, dass er aus der Meditation auftauchen und erkennen würde, dass die Welt ihn braucht. Ihre Liebe zu ihm war so tief, dass sie ihre Tapas mehrmals täglich verrichtete.

Seine Anwesenheit in der Welt war so nötig, dass auch die anderen Götter überlegten, was zu tun sei, damit er zurückkehrte. Sie sahen Parvati’s Liebe und entwickelten den Plan, dass Kama einen Liebespfeil auf Shiva abschießen solle, damit dieser aus der Meditation auftauchen, seine Liebe zu Parvati erkennen und den Dämonen bekämpfen würde.
So gingen sie zu dem in tiefer Meditation versunkenen Shiva und Kama schoß einen seiner Pfeile auf ihn. Er traf auch und kurz erwachte Shiva. Er sah Parvati und spürte seine Liebe zu ihr. Dann sah er Kama und sofort erkannte er was geschehen war. Voller Wut öffnete er sein drittes Auge und verbrannte mit seinem feurigen Blick Kama.
Die Götter waren entsetzt! Ohne den Gott Kama wäre die Welt ohne Liebe! Sie flehten Shiva an, Kama wieder zum Leben zu erwecken. Da Shiva’s Zorn langsam verrauchte, erklärte er sich einverstanden, den Gott der Liebe und Erotik aus der verbrannten Asche wieder zu erschaffen. So nahm er die Asche, formte einen neuen Kama daraus und hauchte ihm Leben ein.

Damit kam die pervertierte Erotik in die Welt. In dem was Kama jetzt verkörperte, war Wut und Zerstörung. Seither leben Pornografie, sexueller Sadismus, sexueller Masoschismus und alle weiteren Begierden, die aus pervertierter Erotik entstehen konnten.

Mythen und Märchen

Waldfrau

„Früher lebte ich im Wald. Alleine und abseits der Menschen. Der Wald, die Tiere, die Pflanzen waren Freunde. Vertraute. Verbundene. Sie und ich waren die Erde.
Wir spielten miteinander, wir rannten und schwammen. Ja, es gab Schmerz und Leid, doch das gehörte zum Leben.
Irgendwann kamen sie. Ich wusste schon lange, dass der Zeitpunkt kommen würde. Immer wieder waren dunkle Energien sichtbar. Gedanken und Gefühle, die von ihnen zu mir floßen. So war es. Einfach ein weiteres ES IST. Ich wusste, dass ich es ertragen würde, wie der Baum den Blitz erträgt. Ich meinte, ich sei stärker.

Es war furchtbar. Sie holten mich, ihre Gesichter waren Fratzen, aus denen die Wut quoll. Sie trugen den Tod in den Augen. Ihre Körper verkrampft, verhärtet. Ich spürte die Angst dahinter. Die Sehnsucht nach Verbundenheit, nach der Einheit. Sie war ihnen genommen worden und lebte doch so stark und tief in ihnen. Ich konnte ihr Pulsieren spüren. Ihre Wut war fehlgeleitete Energie aus der Tiefe der Quelle. Letztlich ist alles Liebe. Sie waren nie geliebt worden. Also liebten sie sich selbst nicht. und konnten niemanden lieben. Es waren so gequälte Wesen. Und weil sie so gequält waren, mussten sie andere quälen. Die unbewusste Wut auf ihre Peiniger floß zu allen, die anscheinend das hatten, was sie so schmerzlich vermissten: Liebe, Verbindung, Mitgefühl.

Ich ging mit ihnen. Jeder Schritt schmerzte in dem Wissen, was gleich geschehen würde. Sie würden sich vor Mutter Erde versündigen. Sie würden mich töten und damit das grundlegendste Gesetz verletzen. Wir dürfen einander nicht töten. Wir sind hier, um als Hirten aufeinander und auf alle Wesen der Erde zu achten. Wir sind Mutter Erdes Ausdruck des Mitgefühls. Wir sind ihr Sinn für Selbstreflexion. Wir sind hier, um Sonnenuntergänge zu bestaunen, uns am Duft von Blüten zu erfreuen, im Meer zu schwimmen und barfuß im Sand zu laufen. Wir sind hier, um mit unseren Sinnen Gaia’s Schönheit zu ehren, erkennend, dass auch wir Gaia sind, dass wir reine Schönheit sind, die in Schönheit lebt.

Sie nahmen mich mit und sie taten, was sie tun mussten. Da sie zur Liebe keinen Zugang mehr hatten, lebten sie ihre Perversion. Statt Mitschöpfer auf dieser Erde zu sein, zerstörten sie. Ich nahm ihre Angst in mich auf. Ihre Angst ohne Liebe leben zu müssen. Das einzige verloren zu haben, was die Quelle unseres Seins ist. Ihre Angst wurde zu meiner Angst vor ihrer Wut. Nicht die gesunde Wut, mit der wir uns gut in die Welt bringen, sondern die Wut, die entsteht, wenn Liebe pervertiert wird.“

Mythen und Märchen

Entscheidung

Die alte Frau sah ihr tief in die Augen. Dann wandte sie den Blick ab und begann zu sprechen:
„Nicht immer sind es deine Wunden. Manches Mal kommen sie aus der Tiefe der Zeit. Sie wurden bei deinen Ahnen geboren, als es nicht Liebe war, die die Kinder nährte, sondern Schmerz und Angst. Sie entstanden im Kreiseln eines Lebens, um Krieg, Überleben und Verletzungen des Körpers und der Seele. Die Wunden waren die Folge von Kindheiten, denen die Liebe fehlte und Elternschaft, die ihre Wunden noch mit sich trug. Sie entstanden aus Unachtsamkeit und Fehlinformation, aus Mangel an Bewusstheit und Lebensfeindlichkeit.
Doch auch wenn sie aus der Ferne zu dir kamen, heute liegt es an dir. Heilung beginnt mit der Entscheidung hinzuschauen. Erst wenn du wach und bewusst hinterfragst, zeigt sich der nächste Schritt. Den alten Gefühlen der Schuld und Scham nicht mehr zu glauben und Verantwortung für dein Leben, genauso wie es heute ist, zu übernehmen, verbindet dich in der Tiefe mit deiner Kraft und Stärke. Steh auf und sieh hin. Höre die Stimmen deiner Ahnen, die noch immer durch dich sprechen. Und dann entscheide dich! Ihre Wunden sind in dir. Willst du ihnen weiter in deinem Leben Raum geben? Oder wirst du dich der Angst, die von ihnen ausgeht stellen? Dann werden hinter den Fratzen der Dämonen die ungeliebten Kinder deiner Vergangenheit auftauchen und dein mitfühlender Blick wird ihnen ihre Würde und ihren Platz zurückgeben. Triff deine Entscheidung.“

Spirit

Rituale

Rituale sind Hilfen, um die Alltagswelt zu verlassen und in einem geschützten Raum Transformation zu bewirken oder sich zu transformieren.
Im Vordergrund steht der Schutz des Raumes für den Einzelnen. Manchmal wird auch das Ritual als solches geschützt. Dieser Schutz ist notwendig, da die angestrebte Transformation eine Öffnung braucht – There is a crack in everything. That’s where the light gets in! Leonard Cohen.


Damit jeder einzelne seinen Weg finden kann, braucht es Sicherheit. Sicherheit entsteht durch Wissen. So sollte für alle klar sein, wieviel Anteil an der festgelegten oder geschätzen Zeit für das Ritual vorgesehen ist und wieviel – oder ob überhaupt – für sozialen Austausch und Miteinander eingeplant wurde. Jeder sollte wissen wie das Treffen ablaufen wird, was auf ihn zukommt, vielleicht nicht detailliert inhaltlich, aber doch die Struktur. Setzen sich die Teilnehmer neu zusammen, ist es notwendig alles durchzusprechen und den Neuen zu helfen sich in den Ablauf zu integrieren.
Außerdem sollte klar sein, ob man etwas mitbringen soll oder nicht, wann gegessen wird (normalerweise nach dem Ritual. Essen versetzt in einen eher alltäglichen Zustand, da die Verdauung anläuft. Daher werden bei großen Ritualen – Schwitzhütte, Sonnentanz – vorher oft Fastenzeiten eingehalten, die es erleichtern einen heiligen Raum zu schaffen).

Bevor das Ritual beginnt, sollte es einen Übergangsbereich geben, der es den Teilnehmern erlaubt anzukommen, sich zu begrüßen und den Mantel der Alltagswelt abzulegen. Auf keinen Fall sollte getratscht werden, da Gossip jegliches Tor in nicht alltägliche Welten schließt. Über andere zu sprechen führt von uns weg. Es ist eine traumaassoziierte Überlebensstrategie, die dem auszuweichen will, was wir in uns an Schmerz und Angst finden könnten. Findet das Ritual an einem bestimmten Platz oder in einem bestimmten Raum statt, wird nicht mehr gesprochen, sobald man den Raum, den Platz betreten hat. Stattdessen konzentriert sich jeder auf sich, betritt seine innere Welt und schaut wie er heute da ist.

Die Lakota, an deren reichem rituellem Schatz ich teilhaben durfte, führen unterschiedliche kleine Rituale durch, um die Alltagswelt zu verlassen und in die übernatürliche Welt der Transformation einzutauchen.
Häufig ist es der erste Schritt für einen gewissen Zeitraum an dem Tag des Rituals zu fasten. Dann das Abräuchern mit Salbei oder Beifuß. Dadurch werden die Spirits vertrieben, die den heiligen Raum des Rituals nicht betreten sollen. Also die Alltäglichkeiten, mit denen wir außerhalb des Heiligen Raums beschäftigt sind, wie Gedanken über die Arbeit, Urteile über andere Menschen und Situationen, bestehende Konflikte, etc. All das hat seinen Platz im alltäglichen, nicht im heiligen Raum. Allerdings verändert alles, was im heiligen Raum geschieht unsere Sicht auf den Alltag und unser Leben.
Danach kann eine Schwelle überschritten werden. Jeder geht bewusst in den heiligen Raum. Nun gibt es kein Zurück mehr. Die Transformation kann beginnen.
Bei großen Ritualen, wie der Schwitzhütte, wird noch eine tiefere innere Ausrichtung verlangt. Die Schwitzhütte kann man nur betreten, wenn man bereit ist in die Verbindung mit allen und allem zu gehen. Dazu muss man in den Vierfüßlerstand, sprich symbolisch anerkennen, dass wir zum Reich der Tiere gehören und damit in die Schöpfung. Wir stehen nicht über ihr.
Nun sind wir im heiligen Raum! Auch wenn dieser Raum einerseits ein Raum an einem Ort ist, ist er doch vor allem ein Raum jenseits aller Orte. Wir haben eine andere Dimension betreten. Hier gelten nicht die gleichen physikalischen Bedingungen wie dort, wo wir herkamen. Sind wir erst einmal hier gilt folgendes:
Wir können nicht mehr zurück. Der Weg führt von nun an nur noch mitten durch das Ritual.
Wir haben die Alltagswelt hinter uns gelassen. Daher gilt, es wird nicht gesprochen. Wird etwas gesagt, hat es sofort Auswirkungen auf das Ritual und somit auch auf uns. Daher spricht erstmal nur der Ritualleiter. Dieser kann das Wort an einzelne oder alle, in einer festgelegten oder sich ergebenden Reihenfolge, erteilen. So kann zum Beispiel die Aufforderung „Lasst uns darüber sprechen“, den Raum für ein gemeinsames Gespräch öffnen.
Sind wir in der Schwitzhütte, wird wieder geräuchert. dieses Mal, um helfende Spirits zu rufen. Dazu wird zum Beispiel Süßgras genutzt. Auf unserer Ebene bedeutet dies, dass wir uns nun noch bewusster Richtung Transformation ausrichten. Wir bitten darum, dass unser Wunsch nach Transformation hier, in diesem Raum, gehört und erfüllt wird. Deshalb akzeptieren wir das Ritual.

Diese Unterwerfung fordert uns heraus. Für unser Ego mag es anfangs schwierig sei, doch die Vorteile überwiegen für die meisten, bedeutet es doch auch, die Verantwortung für die Anforderungen der Welt, für den Zeitraum des Rituals abgeben zu können. Der Übergang in die heilige Dimension entlastet uns von den Pflichten unseres erwachsenen Lebens und entführt uns in die Welt des heiligen Kindes, das spielend Zugänge zu Pflanzen, Tieren, Feen, Trollen, Hexen und magischen Momenten findet. Wir erkennen, was wir auf unserem Weg ins Erwachsenenleben geopfert haben, wo wir unsere Ganzheitlichkeit verlassen haben und was wir nun wieder integrieren können. Das heilige Kind in uns (Chuen im Mayakalender. Die Mayas vollführen kein Ritual ohne diesen Nagual der für Kind, Neubeginn, Kreativität und Schöpferkraft steht) ist der Zugang zur anderen Dimension. Dieses Portal können wir nicht außerhalb von uns finden. Es befindet sich in uns. Die Hindus kennen 72 000 Energiekanäle, in denen unsere Lebensenergie fließt. Der Zugang zu anderen Dimensionen könnte sich aber auch in jeder unserer Zellen befinden …

Ein Ritual wird vielleicht in der umgekehrten Reihenfolge beendet, in der es begonnen hat. Oder es werden Techniken angewandt, die auch schon am Beginn des Rituals standen, wie tiefes Atmen, eine leichte Meditation, wurde mit einem Tanz gegen den Uhrzeigersinn begonnen, beendet ein Tanz im Uhrzeigersinn. Wurde eine Schwelle überschritten, sollte auch am Ende wieder eine Schwelle überschritten werden. Und/oder es wird noch einmal jeder einzelne mit Rauch gereinigt.
Das Ende des Rituals ist so wichtig wie sein Einstieg. Es lässt uns wieder in unserem Alltag ankommen, führt uns zurück über die Brücke, öffnet das Portal, damit wir unsere normale Welt wieder betreten können. Dazu müssen wir die übernatürliche Welt zurücklassen und uns wieder in unseren Alltag einfinden.
Einer meiner Aufstellungslehrer beendete jede Aufstellung mit einem symbolischen Glas Wasser, das jeder „trank“. Wasser ist per se eine Substanz, die die Welten verbindet, uns somit einen leichten Übergang gewährt. Meiner Erfahrung nach hilft es auch ganz ungemein, ein echtes Glas Wasser zu trinken. Wasser spült alles ab, was nicht mehr zählt. Und da wir innerlich unterwegs waren, ist eine innerliche Reinigung angemessen. Damit bekommt der Körper auch das Signal „alle wieder an Bord, der Alltag beginnt“.

Aho! Mitakuye Oyasin!

Spirit

Die Kelten erkannten, dass die Gestalt jeder Seele einmalig ist und dass das spirituelle Gewand, das der eine Mensch trägt, niemals der Seele eines anderen passen kann. Interessanterweise bedeutet das lateinische Wort für „Offenbarung“, revelatio, wörtlich so viel wie „Wieder-Verschleierung“. Die Welt der Seele lässt sich nur flüchtig erblicken, wie durch einen Spalt in einem Schleier, der sich sofort wieder schließt. Es gibt keinen direkten, ständigen oder allgemeinen Zugang zum Göttlichen. Jedes Schicksal besitzt seine eigentümliche Kontur, seine eigene Linie, die ihre spezifische spirituelle Zugehörigkeit und Ausrichtung finden muss. Die Individualität ist der einzige Zugang zu unserem spirituellen Potenzial und zu dessen Erfüllung.

Wenn die spirituelle Suche zu leidenschaftlilch und verbissen betrieben wird, bleibt die Seele versteckt. Es ist der Seele nie bestimmt gewesen, vollkommen erschaut zu werden. Die Seele fühlt sich eher in einem Licht zu Hause, das auch den Schatten gastfreundlich aufnimmt. Von freundlicher Zutraulichkeit gegenüber der Dunkelheit, öffnet es sanft Höhlen in der Finsternis und verleitet die Vorstellungskraft dazu aktiv zu werden. Die Kerze gestattet es dem Dunkel, seine Geheimnisse zu wahren. In jeder Kerzenflamme finden sich ein Schatten und mehrere Farben. Kerzenlicht-Bewusstsein ist die respektvollste und angemessenste Form von Licht, unter dessen Führung wir uns der inneren Welt annähern können. Es versucht nicht, dem Geheimnis unsere qualvoll schattenlose Bewusstheit aufzuzwingen. Der Flüchtige, ahnende Blick ist genug. Die Kerzenlicht-Wahrnehmung naht sich dem Mysterium und der Autonomie der Seele mit der erforderlichen Rücksicht und Ehrfurcht. Eine Solche Wahrnehmung ist an der Schwelle daheim. Weder braucht sie, noch wünscht sie, in den geheiligten Bezirk einzudringen, in dem das Göttliche wohnt. Heutzutage verwenden wir die Sprache der Psychologie, um uns der Seele anzunähern. Die Psychologie ist eine wunderbare Wissenschaft. In vielerlei Hinsicht war sie ein Entdeckerin, die in heldenhaften Abenteuern die unbekannte innere Welt erforschte. In unserer Kultur der Unmittelbarkeit hat die Psychologie die Fruchtbarkeit des und die Ehrfurcht vor dem Mythos verbannt. Sie steht unter dem Druck des Neon-Bewusstseins, und ist damit außerstande, die Tiefe und Fülle der Welt der Seele zu erschließen oder zu bergen. Eine wichtige Einsicht, die wir der keltischen Mystik verdanken, ist die Erkenntnis, dass wir weniger danach streben sollten, unsere Seele offenzulegen oder ihr unsere schwache Hilfe anzubieten, als viel mehr unserer Seele zu gestatten, uns zu finden und für uns zu sorgen. Die keltische Mystik ist zärtlich zu den Sinnen und bar aller spirituellen Aggressivität. Die Geschichten, Gedichte und Gebete der Kelten sind Ausdrucksformen einer offensichtlich prä-logischen Sprache – eines Idioms der lyrischen ehrerbietigen Beobachtung. Oftmals erinnert diese Sprache an die Reinheit japanischer Haikus. Sie umgeht die knorrige Kompliziertheit narzisstischer selbstbezüglicher Rede und erschafft klare Wortgestalten, die die numinosen Tiefen der Natur und des Göttlichen ungehindert hindurchschimmern lassen. Die keltische Spiritualität erkennt die Weisheit und das sanfte LIcht, die unser Leben behüten und vertiefen können. Wenn unsere Seele erwacht, regt sich der schöpferische Drang unseres Schicksals.

John O´Donohue

Spirit

Durgas Tigerin weiß, wann sie handeln und wann sie innehalten muss, wie sie sich ausruhen und abwarten kann – nicht passiv, sondern empfänglich. Die Tigerin kann stundenlang auf Beute warten. Sie jagt nicht einfach nur und ist aktiv, um der Aktivität willen.

Ist es Zeit zu Handeln, entscheidet sie sich voll und ganz, engagiert sich voll und ganz – mit ihrem ganzen Wesen. Es gibt kein Zögern. Jedes einzelne Quäntchen Energie wird zum Handeln mobilisiert und sie wird dabei voll und ganz unterstützt durch diese Hingabe an eine bereits vorhandene, größere Dynamik der Energie.

Indem wir Durgas Tigerin als eine Kraft in uns fühlen, lernen wir langsam, das Ansteigen und Absinken der Energie zu beherrschen. Wir erinnern uns daran, dass Handeln und Warten nicht unbedingt zwei verschiedene Dinge sind; sondern vielmehr Teil eines Kontinuums. Dass sich alles in Kreisläufen bewegt: Es gibt eine Zeit des Wartens und es gibt eine Zeit des Handelns. Wir lernen, auf die feineren Signale unseres Körpers zu hören, uns zu orientieren und dem Rhythmus der Dinge zu vertrauen.

Auf einem Momentum reitend, das sich bereits vollzieht, lassen wir uns auf die Welt mit dieser Unterstützung ein, fähig zu handeln, ohne uns dabei selbst zu erschöpfen. 

~ Chameli Ardagh

Spirit

„Why look like a dead fish in the Ocean of God?“

Rumi

Spirit

Die Natur des Ego ist Auflösung. Behindere es nicht!

Spirit

Der Segen meines Großvaters

Wenn ich an den Freitagnachmittagen nach der Schule zu meinem Großvater zu Besuch kam, dann war in der Küche seines Hauses bereits der Tisch zum Teetrinken gedeckt. Mein Großvater hatte seine eigene Art, Tee zu servieren. Es gab bei ihm keine Teetassen, Untertassen oder Schalen mit Zuckerstückchen oder Honig. Er füllte Teegläser direkt aus einem silbernen Samowar. Man musste zuerst einen Teelöffel in das Glas stellen, denn sonst hätte das dünne Glas zerspringen können. Mein Großvater trank seinen Tee auch nicht so, wie es die Eltern meiner Freunde taten. Er nahm immer ein Stück Zucker zwischen die Zähne und trank dann den ungesüßten heißen Tee aus dem Glas. Und ich machte es wie er. Diese Art, Tee zu trinken, gefiel mir viel besser als die Art, auf die ich meinen Tee zu Hause trinken musste. Wenn wir unseren Tee ausgetrunken hatten, stellte mein Großvater stets zwei Kerzen auf den Tisch und zündete sie an. Dann wechselte er auf Hebräisch einige Worte mit Gott. Manchmal sprach er diese Worte laut aus, aber meist schloss er einfach die Augen und schwieg. Dann wusste ich, dass er in seinem Herzen mit Gott sprach. Ich saß da und wartete geduldig, denn ich wusste, jetzt würde gleich der beste Teil der Woche kommen.

Wenn Großvater damit fertig war, mit Gott zu sprechen, dann wandte er sich mir zu und sagte: „Komm her, Neshumele." Ich baute mich dann vor ihm auf, und er legte mir sanft die Hände auf den Scheitel. Dann begann er stets, Gott dafür zu danken, dass es mich gab und dass er ihn zum Großvater gemacht hatte. Er sprach dann immer irgendwelche Dinge an, mit denen ich mich im Verlauf der Woche herumgeschlagen hatte, und erzählte Gott etwas Echtes über mich. Jede Woche wartete ich bereits darauf, zu erfahren, was es diesmal sein würde. Wenn ich während der Woche irgend etwas angestellt hatte, dann lobte er meine Ehrlichkeit, darüber die Wahrheit gesagt zu haben. Wenn mir etwas misslungen war, dann brachte er seine Anerkennung darüber zum Ausdruck, wie sehr ich mich bemüht hatte. Wenn ich auch nur kurze Zeit ohne das Licht meiner Nachttischlampe geschlafen hatte, dann pries er meine Tapferkeit, im Dunkeln zu schlafen. Und dann gab er mir seinen Segen und bat die Frauen aus ferner Vergangenheit, die ich aus seinen Geschichten kannte - Sara, Rahel, Rebekka und Lea -, auf mich aufzupassen.

Diese kurzen Momente waren in meiner ganzen Woche die einzige Zeit, in der ich mich völlig sicher und in Frieden fühlte. In meiner Familie von Ärzten und Krankenschwestern rang man unablässig darum, noch mehr zu lernen und noch mehr zu sein. Da gab es offenbar immer noch etwas mehr, das man wissen musste. Es war nie genug. Wenn ich nach einer Klassenarbeit mit einem Ergebnis von 98 von 100 Punkten nach Hause kam, dann fragte mein Vater: „Und was ist mit den restlichen zwei Punkten?" Während meiner gesamten Kindheit rannte ich unablässig diesen zwei Punkten hinterher. Aber mein Großvater scherte sich nicht um solche Dinge. Für ihn war mein Dasein allein schon genug. Und wenn ich bei ihm war, dann wusste ich irgendwie, mit absoluter Sicherheit, dass er Recht hatte.

Mein Großvater starb, als ich sieben Jahre alt war. Ich hatte bis dahin nie in einer Welt gelebt, in der es ihn nicht gab, und es war schwer für mich, ohne ihn zu leben. Er hatte mich auf eine Weise angesehen, wie es sonst niemand tat, und er hatte mich bei einem ganz besonderen Namen genannt - "Neshumele", was "geliebte kleine Seele" bedeutet. Jetzt war niemand mehr da, der mich so nannte. Zuerst hatte ich Angst, dass ich, wenn er mich nicht mehr sehen und Gott erzählen würde, wer ich war, einfach verschwinden würde. Aber mit der Zeit begann ich zu begreifen, dass ich auf irgendeine geheimnisvolle Weise gelernt hatte, mich durch seine Augen zu sehen. Und dass einmal gesegnet worden zu sein heißt, für immer gesegnet zu sein.

Viele Jahre später, als meine Mutter im hohen Alter überraschenderweise begann, selbst Kerzen anzuzünden und mit Gott zu sprechen, erzählte ich ihr von diesen Segnungen und was sie mir bedeutet hatten. Da lächelte sie traurig und sagte zu mir: „Ich habe dich an jedem Tag deines Lebens gesegnet, Rachel. Ich habe nur nicht die Weisheit besessen, es laut auszusprechen.“


Rachel Naomi Remen

Spirit

wo ein anderes ist, da ist angst.
upanishaden

Ich befreie meine Eltern von dem Gefühl, dass sie mit mir versagt haben.

Ich befreie meine Kinder von der Notwendigkeit, mich stolz machen zu müssen.
Mögen sie ihre eigenen Wege nach Herzenslust gehen.
Mögen sie ihrer Intuition folgen und so ihre Träume verwirklichen.

Ich entbinde meinen Partner von der Verpflichtung, mich zu vervollständigen.
Mir fehlt nichts, ich lerne die ganze Zeit mit allen Wesen.

Ich danke meinen Großeltern und meinen Vorfahren, die auf die Welt gekommen sind, damit ich heute leben kann.
Ich befreie sie von früheren Versagen und unvollendeten Wünschen, wissend, dass sie ihr Bestes getan haben, um ihre Lebensumstände in bester Art und Weise zu tragen, so gut es ihnen möglich war.

Ich ehre sie, liebe sie und erkenne sie als frei von aller Schuld an.
Ich zeige meine Seele vor ihren Augen, deshalb wissen sie, dass ich nichts mehr verstecke oder schulde, außer mir selbst und meiner eigenen Existenz treu zu sein, indem ich der Weisheit meines Herzens folge.

Ich erfülle meinen Lebensplan frei von familiärer Loyalität.

Ich weiss, dass mein Friede und mein Glück in meiner eigenen Verantwortung liegen.

Ich verzichte auf die Rolle des Retters,
derjenige zu sein, der die Erwartungen anderer erfüllt.

Indem ich durch und nur durch Liebe lerne, ehre ich meine Essenz und segne mein Wesen und meine Ausdrucksweise, auch wenn man mich vielleicht nicht versteht.
Ich verstehe mich, weil nur ich meine Geschichte gelebt und erlebt habe.
Weil ich mich selbst kenne, weiss ich wer ich bin, was ich fühle, was ich tue und warum ich es tue.

Ich ehre mich, ich liebe mich und erkenne mich als frei von Schuld an.

Ich ehre dich, ich liebe dich und erkenne dich als frei von Schuld an.

Ich ehre die Göttlichkeit in mir und in dir.

Wir sind frei.

Nahual-Segen, im 7. Jahrhundert in der Zentralregion von Mexiko