Mikroskop

Die Schule erhebt den Anspruch, das Lernen in Fächer aufzugliedern, ein aus diesen vorfabrizierten Blöcken hergestelltes Curriculum in den Schüler einzubauen und das Ergebnis an einer internationalen Skala abzulesen. Menschen aber, die sich für die Bewertung ihres persönlichen Wachstums dem Maßstab anderer unterwerfen, legen diesen Zollstock bald auch selbst bei sich an. Sie brauchen nicht mehr an ihren Platz verwiesen zu werden, sondern stecken sich selbst durch die vorgesehenen Schlitze, quetschen sich in die Ecken, die aufzusuchen man sie gelehrt hat, und verweisen dabei zugleich ihre Kameraden an deren Plätze, bis alles und jedermann „passt“.

Menschen, die auf das richtige Maß heruntergeschult worden sind, gehen unkalkulierbaren Erlebnissen aus dem Weg. Für sie wird, was sich nicht messen lässt, zweitrangig und bedrohlich. Sie brauchen ihrer schöpferischen Kraft nicht mehr beraubt zu werden. Durch programmierte Unterweisung haben sie verlernt, das Ihrige zu „tun“ oder sie selbst zu „sein“. Sie schätzen nur noch, was „gemacht“ worden ist oder gemacht werden könnte.

Ist jedoch den Menschen erst einmal die Vorstellung eingeimpft worden, dass man Werte produzieren und messen kann, so sind sie geneigt, alle möglichen Rangordnungen zu akzeptieren. Da gibt es eine Skala für die Entwicklung von Nationen, eine andere für die Intelligenz von Säuglingen, und selbst der Fortschritt zum Frieden lässt sich nach Stückzahlen errechnen. In einer verschulten Welt ist der Weg zum Glück mit einem Verbraucherindex gepflastert.

Ivan Illich, „Entschulung der Gesellschaft“

Gefühle

Durch die Angst

Angst untergräbt bei vielen Menschen die Fähigkeit logisch zu denken. Sobald unsere Nervenimpulse sich in Richtung Trauma, sprich Angriff, Flucht, Erstarrung oder Unterwerfung bewegen, schaltet unser Gehirn in einen Zustand des kognitiven Mangels.  Der Neo Cortex ist im Stand By oder verkümmert zu einem leisen Hintergrundrauschen, das lymbische System und die Amygdala übernehmen die Steuerung von Körper und Geist. Was letztlich bedeutet: Aktivierung bestimmter Körperfunktionen, Deaktivierung von Geist und Verstand.

Dank unseres Bildungssystems haben wir verinnerlicht pünktlich zu sein, nicht zu reden, sitzen zu bleiben, unser Gehirn auszuschalten und zu glauben was uns gesagt wird. Wir brauchen Autoritäten, die uns die Welt erklären und uns sagen wie wir uns zu verhalten haben. Wir vertrauen uns, unseren Sinnen, unserer Wahrnehmung und unserem Denken nicht mehr. Beziehungsweise nur dann, wenn unser Denken mit den Medien, den Experten gleichgeschaltet ist. 

Wir leben traumatisiert in einer traumatisierten Kultur und erkennen nicht, dass, was wir für normal halten, nur normal im Sinne von ‚alle tun es‘, jedoch nicht im Sinne von ‚natürlich‘ ist. Hans-Joachim Maaz nennt es Normopathie und erklärt wieso dann „eine kollektive Krankheit entstehen (kann), die keiner mehr wahrhaben will und nur noch wenige erkennen können. Letztere werden dann aber sofort gemobbt, ausgegrenzt, beschimpft und diffamiert.“

Seit vielen Jahren, sehr stark seit 2020, werden wir über Angst manipuliert. Die Mikroben-Pandemie hat sich in eine Pandemie der Angst gewandelt. Angst bestimmt inzwischen das Leben so vieler Menschen in so vielen Bereichen. Die Psychologie kennt die „generalisierte Angststörung“. Sie ist gekennzeichnet durch übermäßige Sorgen und Ängste, durch Grübeln, Zukunftsängste, wie Angst um das Altern, die finanzielle Situation, die Gesundheit von Angehörigen oder um die eigene. Leben wir in einer Angstgesellschaft? Und falls ja, was bedeutet das für uns, unsere Kinder, unsere Zukunft? 

Letztendlich hat alles mit Bewusstheit und Entscheidungen zu tun. Solange wir im Mangel unserer Kindheitstraumen leben, leben wir in Mustern. Muster in die wir uns als Kinder flüchteten, um die Lieblosigkeit der Erwachsenen zu überleben. Heute, selbst erwachsen, schränken uns diese Muster ein und behindern ein Leben in Kreativität, Lebendigkeit und offenem Vertrauen. Statt aus der Situation heraus zu reagieren, reagieren wir aus unseren alten Mustern heraus. Aus unserem frühkindlichen Schmerz, unserer Angst und Verzweiflung. Jede kritische Situation im Hier und Jetzt lässt uns die Vergangenheit wie mit einer Angel in die Gegenwart ziehen, das Jetzt umhüllen und eine Lösung für Probleme der Vergangenheit suchen, die wir hier und heute zu erkennen glauben. Wir haben eine uralte Landkarte, die wir permanent über unsere Realität legen. Solange wir dazu nicht bewusst werden, folgen wir Pfaden, die nicht mehr existieren, suchen Wasser und Nahrung an Stellen, die verödet sind. Wir suchen Liebe weiter bei denen, die nicht lieben können. 

Solange wir den Schmerz des kleinen Kindes vermeiden wollen, solange wir in Angst davor leben ihm wieder zu begegnen, wird die Angst unser Leben durchziehen. Der Weg aus der Angst ist immer der Weg durch die Angst. Sobald wir beginnen Licht/Bewusstheit in die Dunkelheit unserer Vergangenheit zu tragen, dem Schmerz seinen Moment geben, uns dem was wir tatsächlich erlebten stellen, übernehmen wir wieder die Führung in unserem Leben. Wir docken an unserer Kraft, unserer Lebensenergie an und spüren, dass wir da sind. Das Drama lässt nach und verschwindet, die Angst verschwindet, auch die vor dem Tod, denn wir erkennen, dass wir alle bei der Geburt beginnen zu sterben und der Tod permanent auf unserer Schulter sitzt. Er gehört zum Leben. Kein Grund ihn zu fürchten. Und das macht stark. Wenn keine Angst mehr da ist, können wir einfach leben. Genauso wie wir es wollen.

Gefühle

Im Unterricht fragte die Lehrerin uns einst, was wir einmal werden wollten. Ich antwortete „glücklich“, worauf die Lehrerin meinte, ich hätte die Frage nicht verstanden.

Ich entgegnete darauf, sie hätte das Leben nicht verstanden.

John Lennon

Zeitenwende

Das Leben weiß es immer besser

Wer weiß schon, was Erkenntnis, was Vision ist? Manchmal scheint die Erkenntnis sehr visionär zu sein.

Wenn wir die Natur nur lassen, regelt sie alles! Wir sollten aufhören uns dermaßen zu überschätzen, dass wir glauben, den Mist, den wir angerichtet haben, wieder richten zu können. Nur wenn wir uns zurück nehmen, wenn wir erkennen, dass nicht wir es sind, die wissen wo die Reise hingeht, sondern dass das Leben selbst den Weg kennt. Wirklich kennt, aus einer viel größeren Warte heraus, die wir niemals einnehmen können, dann hat die Menschheit eine Chance das Desaster, das sie angerichtet hat zu überleben. 

Wir sollten unsere Wälder ab jetzt einfach in Ruhe lassen. Dann erholen sie sich, bilden wunderschöne Gemeinschaften aus, strukturieren sich neu. Von den Wäldern ausgehend würde sich die Natur erholen. Die wir ebenfalls in Ruhe lassen. Keine Industriegebiete mehr, keine intensive Landwirtschaft mehr. Nach und nach organisieren sich alle in Solidargemeinschaften, die Nahrung in Waldgärten (Permakultur) anbauen. Während das eine weniger wird, wächst das andere.

Wir sollten auch unsere Kinder in Ruhe lassen. Keine Krippen, keine Kitas, keine Schulen. Nach einer Generation spielender Kinder wären die meisten psychischen und viele körperliche Erkrankungen verschwunden, es gäbe wieder Familien, die den Begriff verdienen, mit entspannten Erwachsenen, die für die Kinder dann da wären, wenn diese es von ihnen einfordern und sie ansonsten in Ruhe Erfahrungen machen ließen. Wie Kinder sich entwickeln, die solcherart Selbstwirksamkeit erfahren dürfen, können wir bei indigenen Gemeinschaften, wie den Yequana („Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Über die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit.“ Jean Liedloff) sehen, die dieses Wissen für uns über die Zeit bewahrt haben. 

Spirit

Durgas Tigerin weiß, wann sie handeln und wann sie innehalten muss, wie sie sich ausruhen und abwarten kann – nicht passiv, sondern empfänglich. Die Tigerin kann stundenlang auf Beute warten. Sie jagt nicht einfach nur und ist aktiv, um der Aktivität willen.

Ist es Zeit zu Handeln, entscheidet sie sich voll und ganz, engagiert sich voll und ganz – mit ihrem ganzen Wesen. Es gibt kein Zögern. Jedes einzelne Quäntchen Energie wird zum Handeln mobilisiert und sie wird dabei voll und ganz unterstützt durch diese Hingabe an eine bereits vorhandene, größere Dynamik der Energie.

Indem wir Durgas Tigerin als eine Kraft in uns fühlen, lernen wir langsam, das Ansteigen und Absinken der Energie zu beherrschen. Wir erinnern uns daran, dass Handeln und Warten nicht unbedingt zwei verschiedene Dinge sind; sondern vielmehr Teil eines Kontinuums. Dass sich alles in Kreisläufen bewegt: Es gibt eine Zeit des Wartens und es gibt eine Zeit des Handelns. Wir lernen, auf die feineren Signale unseres Körpers zu hören, uns zu orientieren und dem Rhythmus der Dinge zu vertrauen.

Auf einem Momentum reitend, das sich bereits vollzieht, lassen wir uns auf die Welt mit dieser Unterstützung ein, fähig zu handeln, ohne uns dabei selbst zu erschöpfen. 

~ Chameli Ardagh

poem

Kindheit

Paris 1906

Es wäre gut viel nachzudenken, um
von so Verlornem etwas auszusagen,
von jenen langen Kindheit-Nachmittagen,
die so nie wiederkamen – und warum?

Noch mahnt es uns – : vielleicht in einem Regen,
aber wir wissen nicht mehr was das soll;
nie wieder war das Leben von Begegnen,
von Wiedersehn und Weitergehn so voll
wie damals, da uns nichts geschah als nur
was einem Ding geschieht und einem Tiere:
da lebten wir, wie Menschliches, das Ihre
und wurden bis zum Rande voll Figur.

Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt
und so mit großen Fernen überladen
und wie von weit berufen und berührt
und langsam wie ein langer neuer Faden
in jene Bilder-Folgen eingeführt,
in welchen nun zu dauern uns verwirrt.

Rainer Maria Rilke

Zeitenwende

Pharmatheater

Diagnosen sind der Versuch die Fülle des Lebens auf die Größe eines Tennisballs zu schrumpfen, um Kontrolle darüber zu erlangen.

Dabei geht das Wissen verloren, dass wir ganzheitliche Wesen sind und Heilung ein ganzheitliches Geschehen darstellt. 

Die Detailversessenheit der Medizin entwürdigt und bevormundet Menschen, um sie in Angst und Abhängigkeit zu führen. Da dies eingebettet in ein medizinisches und gesellschaftliches System geschieht, braucht der einzelne Arzt Klarheit und Reflexionsfähigkeit, um die Kulisse als Teil eines Theaterstücks zu begreifen, in dem ihm eine bestimmte Rolle zugedacht wurde. 

Dieses Krebsgeschwür wächst inzwischen nicht nur in den ärztliche und therapeutischen Praxen jeder Couleur, es hat in Familien und Individuen metastasiert und droht die Vielfalt des Lebens zu überwuchern und in einen Einheitsbrei zu verwandeln, der gut in die Pipeline der Pharmaindustrie geleitet und dort – gegen entsprechendes Geld – verarbeitet werden kann.

Aktuell übernimmt die Pharma die totale Geburtenkontrolle. Es wird kaisergeschnitten bis die Skalpelle klingen. Die Hebammen, die weisen Frauen der Geburt, die mit einer kleinen Drehung hier und einer Massage dort und mit einem enorme Wissen Frauen über Jahrhunderte das zusprachen, was, wie wir inzwischen wissen, für eine spontane und leichte Geburt unabdingbar ist, nämlich Mut, Kraft, Stärke, Ruhe und Vertrauen, werden aus ihrem Beruf gedrängt. Übernommen wird von überforderten Ärztlein, für die jeder Millimeter, der nicht nach fantasiertem Plan läuft, ein Auslöser darstellt ihr Lieblingsinstrument zu zücken, um das Kind aus dem Bauch zu schneiden. 

Dass dies nur der erste Akt des Dramas ist, wissen wir. Es läuft von der Wiege bis zur Bahre …

Spätestens im dritten Lebensjahr beginnen die psychischen Diagnosen. ADS, ADHS, Autismusspektrumstörungen sind nur die häufigsten, mit denen Kindern bescheinigt wird, dass sie nicht in Ordnung sind, so wie sie sind. Auch hier wird jede kleine Abweichung von der gewollten Norm als krank gelabelt. Schließlich sind es die Kinder, die sich in die Strukturen einpassen sollen, nicht die Enge der Strukturen, die für Fülle und Diversität des Lebens geändert werden muss.

Währenddessen lassen sich die Erwachsenen in Angst halten, haben das Gehirn eh schon an der Garderobe des Theaters abgegeben und katzbuckeln ergeben vor den stolz schwadronierenden Experten auf der Bühne. 

Der Lichtblick? „Der Baum, der fällt, macht mehr Krach, als der Wald, der wächst.“, sagt ein tibetisches Sprichwort. Das Leben wächst in jeder Ecke, Lücke und Nische, die es findet. Und es lässt keine Einseitigkeit zu. Nicht auf Dauer. Und so nährt es die Menschen, die Liebe, Achtsamkeit , Mitgefühl und Wärme in die Welt geben. Und es sind viele. Um sie zu hören müssen wir uns vom Getöse des Rampenlichts abwenden, unseren Blick und unsere Ohren für das Feine schulen und unserer Intuition erlauben uns dorthin zu geleiten, wo wir sie finden. Das kann auch das eigene Innere sein.

Trauma und transgenerationale Übertragung

Beziehung statt Erziehung

Wir haben nur eine Zukunft und das sind unsere Kinder. 

Ein afrikanisches Sprichwort besagt, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen. Auch wenn das sicher optimal wäre, die meisten Kinder haben das nicht. Stattdessen finden Eltern in jeder Buchhandlung eine unüberschaubare Anzahl an sogenannten Erziehungsratgebern. Darin sind tausend Möglichkeiten und ihr Gegenteil in der Kindererziehung beschrieben und mit nachvollziehbaren Argumenten belegt. Für jeden findet sich etwas, jedes Elternteil bekommt seine Voreinstellungen belegt und untermauert, was einzelne erfreut, in der Summe jedoch keine Richtung vorgibt. Eher hilft es bei der transgenerationalen Weitergabe der eigenen Traumata und Dissoziationen. Solange Eltern glauben ihre Kinder erziehen zu müssen, werden sie ihre eigentliche Aufgabe, nämlich ihren Kindern eine tragfähige und verlässliche Beziehung anzubieten, nicht erfüllen können.