Kontakt

Über die Dörfer

Spiele das Spiel.

Gefährde die Arbeit noch mehr.

Sei nicht die Hauptperson.

Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos.

Vermeide die Hintergedanken.

Verschweige nichts.

Sei weich und stark.

Sei schlau, lass dich ein und verachte den Sieg.

Beobachte nicht, prüfe nicht,

sondern bleib gegenwärtig bereit für die Zeichen.

Sei erschütterbar.

Zeig deine Augen, wink die Anderen ins Tiefe.

Sorge für den Raum und betrachte jeden in seinem Bild.

Entscheide nur begeistert.

Scheitere ruhig.

Vor allem hab Zeit und nimm Umwege.

Lass dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub.

Überhör keinen Baum und kein Wasser.

Kehr ein, wo du Lust hast und gönn dir die Sonne.

Vergiss die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen,

weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama,

missachte das Unglück,

zerlach den Konflikt.

Beweg dich in deinen Eigenfarben,

bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süss wird.

Geh über die Dörfer. Ich folge dir nach.

Peter Handke

Kontakt

Nur der Kontakt mit mir aktiviert den Kontakt zu dir

Kommunikation ist  Beziehung und lernen. Unsere Gesellschaft -Medien, Politik, Freizeit- ist vom Drama durchwirkt. Mit Drama meine ich ein Handeln aus mentalen Zuständen heraus, das nicht ganzheitlich unsere Gefühle und Körperempfindungen mit einbezieht. Statt dessen kreieren wir es mit unseren Gedanken. Gedanken, ohne unsere Intuition, führen in alte Muster und Glaubenssätze. Sind also für unser gegenwärtiges Handeln nicht angemessen.

Auf der Dramaebene halten wir unsere Meinung für absolut richtig, wir sind mit ihr identifiziert. Wir sind die Meinung, die wir gerade vertreten. Wird sie in Frage gestellt, fühlt sich unser Ego persönlich angegriffen. An diesen Punkt, greift die Schleife „ich fühle mich abgewertet, jetzt werde ich dich abwerten, damit das Leben wieder ausgeglichen ist“. Erlauben wir dieser Bewegung sich auszubreiten, begeben wir uns in eine Spirale der Gewalt.

Auch zum Drama gehört eine gewisse Schnelligkeit in der Reaktion. Damit schummeln wir uns an unseren wahren Gefühlen vorbei. Schnelligkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit in alten Mustern zu agieren. Außerdem versuchen wir im Drama möglichst keine Verantwortung zu übernehmen. Wir springen auf alles auf, das neu, in, angesagt ist. Der Trend bestimmt was wir wollen. Wir hinterfragen nur pro forma, ob wir es wirklich brauchen, welchen zusätzlichen Nutzen es uns bringt, ob es uns gut tut oder für den Rest der Welt gut ist. Da es in ist, haben es andere sicher geprüft und für gut befunden. Ein Zustand, in dem wir eben nicht unser Gehirn, sondern unser Gefühl, unsere Intuition abgeschaltet haben.

Mit Bewusstheit können wir diese Entwicklung stoppen. Wie können wir das initiieren?

Was hilft ist Humor, über mich und den Teil in mir, der so verbissen argumentiert, lachen oder zumindest schmunzeln zu können; Empathie für mein Gegenüber; Mitgefühl für uns beide, die wir uns gerade verstricken und für unsere Beziehung; unser Wunsch nach Entspannung; und der Wunsch, dass es dir gutgeht, sind nur einige Ansätze. 

Letztlich geht es um Sicherheit. Fühle ich mich in und mit mir sicher, öffnet sich mein Herzchakra, oder anders ausgedrückt, ich komme mit mir selbst in Kontakt. Ich spüre mich, meine Bedürfnisse und Wünsche und auch meine Ressourcen und Fähigkeiten. Und ich spüre auch meine Ängste, meine Eitelkeiten, meine Idee von Kontrolle. 

Bin ich mit mir in Kontakt, bin ich auch in mir, mit mir sicher. Und nur dann, wenn ich auf dieser Ebene schwingungsfähig bin, kann ich auch den Menschen mir gegenüber spüren, tatsächlich wahrnehmen, in seiner Menschlichkeit, mit seinen Wünschen und Bedürfnissen. Dann sind wir in Verbindung, es entsteht Weite, Zugewandtheit, Zufriedenheit und wir erfahren uns als gleich. Es ist der Moment, in dem wir lieben und wissen, wir sind auf einer höheren Ebene immer geliebt.

poem

Ich segne die Nacht, die mein Herz nährte,

um die Geister der Sehnsucht

ins Fließen zu befreien.

Und die Traumgestalt, die kam,

um aus dem Dunkel unsichtbares Brot

für den Hunger zu ernten.

Alles, was ewig in mir ist,

heißt das Wunder dieses Tages willkommen,

das Feld der Helligkeit, das es erschafft.

Das allen Dingen Zeit bietet,

zu entstehen und zu erleuchten.

Auf den Altar der Morgendämmerung lege ich:

Die stille Treue des Atems,

das Gedankenzelt, das mir Unterschlupf bietet,

die Welle des Begehrens, der ich Ufer bin,

und alle Schönheit, die vom Auge angezogen wird.

Möge mein Verstand sich heute der

unsichtbaren Geographie bewusst werden,

die mich zu neuen Grenzen einlädt,

das tote Gehäuse der vergangenen Tage zu zerbrechen,

zu riskieren, gestört und verändert zu werden.

Möge ich heute den Mut haben,

das Leben zu leben, das ich lieben würde,

meinen Traum nicht länger hinauszuschieben,

sondern endlich das zu tun, wofür ich hierher gekommen bin,

und mein Herz nicht länger an die Angst zu verschwenden.

~ John O’Donohue

Ich - Du - Wir

Was ist Leben? Sicherheit? Oder Freiheit? 

Wenn wir geboren werden, ist alles  noch offen. Unsere „Hardware“ schreibt uns nicht vor wie und wo wir leben sollen. Wenn wir geboren werden, sind wir bereit für das Abenteuer des Lebens. Mit schlafwandlerischer Sicherheit passen wir uns allem an, was wir vorfinden. Wir sind offen, voller Neugier und wollen alles geben, bringen jeden Einsatz, um den Traum „Leben“ für uns zu  verwirklichen. 

Dazu folgen wir unseren Instinkten, binden uns, folgen unseren Autonomiebestrebungen und erkunden die Welt, die wir vorfinden. Werden wir gezwungen uns zu entscheiden, entscheiden wir uns. Zu Beginn immer für die Bindung. 

Die ersten Jahre können Kinder nur überleben, wenn sie es schaffen aktiv eine Bindung zu anderen aufzubauen. Im Idealfall führt die Mutter die schon während der Schwangerschaft entstandene Bindung fort und wird von anderen Erwachsenen und/oder Kindern/Jugendlichen dabei unterstützt, ein familiäres Nest zu bauen, in dem der Säugling alles bekommt, was er für seine körperliche, geistige und seelische Entwicklung benötigt. 

Seit einigen Jahrzehnten scheint der Bindungsaufbau oft gut zu gelingen. Die größere Herausforderung für Eltern liegt eher darin, das Kind in seinem Wunsch nach Autonomie zu unterstützen. Ursache dafür können Ängste oder Schuldgefühle bei den Eltern sein. Bewusst oder unbewusst. Dadurch entwickelt sich leicht ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit, sowohl für sich, als auch für ihr Kind. In einer Gesellschaft, die -von außen betrachtet- Sicherheit über Lebendigkeit stellt, kann daraus ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle entstehen. Diese bezieht sich sowohl auf das aktuelle Geschehen im Leben des Kindes, als auch auf seine Zukunft. Im Umgang mit dem Kind wird Sicherheit dann als Non-plus-Ultra betrachtet. Weit wichtiger als die dringende Notwendigkeit des Kindes eigene Erfahrungen zu machen. Sicherheit wird zum äußeren Ausdruck von Liebe. Einer Liebe, die sich nicht an gut ausgebildeten Instinkten der Eltern misst, sondern dem eigenen Erleben in der Kindheit und dem Zeitgeist geschuldet ist. 

Besonders Eltern, die schon für sich entschieden haben, dass Glück mit materieller Sicherheit gleichzusetzen ist sind betroffen. Eine Entscheidung, die aus Angst geboren wird. 

Das eigene Lebendige wird erstmal hinten an gestellt, irgendwann vergessen und sucht sich seinen Ausdruck dann in anderen Formen. Ebenso wird das Lebendige im Kind als unerwünscht gelabelt. Es soll möglichst viel Zeit unter der Aufsicht Erwachsener verbringen. Im Kindergarten, der Schule oder in einer strukturierten Freizeit. Und natürlich soll das Kind zufrieden sein. Was schon auch bedeuten kann es über Stunden vor High Tec Geräten zu parken. Sind die aktuelle Sicherheit und -über entsprechende Noten- die zukünftige Sicherheit möglichst gewährleistet, fühlen sich die Erwachsenen entlastet. 

Man könnte tiefer gehen und fragen „Ist das dann noch Leben?“ Denn lebendig sein bedeutet sich dem Strom des Lebens zu stellen. Das Leben zu nehmen, wie es kommt und ihm keinen Widerstand entgegen zu setzen. Die Sucht nach Sicherheit entsteht erst, wenn ich das Risiko aus dem Abenteuer eliminieren möchte und nicht merke, dass dann auch das Abenteuer verschwindet. Leben ist eben keine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Sicherheit ist die Antwort des kleinen Egos auf nicht verarbeitete Traumata. Freiheit ist ein Ziel auf der Reise, das durch Angst nicht erreicht werden kann.

Ich - Du - Wir

Wenn ihr nicht von dem Wein der Einsicht trunken seid, könnt ihr nicht vom Kuss der Freiheit nüchtern werden.

Mikhail Naimy

Mikroskop

Bindung und Autonomie

Bindung ist für das Überleben eines Säuglings so wichtig wie die Luft, die er atmet. Und so wenig, wie er die Luft als von sich getrennt wahrnimmt, so wenig sollte er Bindung wahrnehmen. Das ist auch nicht möglich, solange kein Mangel daran besteht. Bindung ist der Blick in die Augen seiner Mutter. Bindung ist ihr Geruch, die Wärme ihres Körpers, ihr Lachen, die Nahrung, die aus ihrer Brust strömt. Bindung ist die Liebe der Mutter, in der der Säugling badet. 

Irgendwann fügt sich zur Bindung ein neuer Duft. Er kommt aus dem Inneren des Kindes und heißt Autonomie. Autonomie begrenzt Bindung. Das Kind hat genug vom Kitzelspiel und wendet den Blick ab. Es möchte nicht weiter so stark gedrückt werden und biegt seinen Körper nach hinten, weg von der Mutter. Autonomie erweitert den Dialog von Mutter und Kind um die feineren Bedürfnisse des Kindes. Ist die Mutter in einem guten Kontakt mit sich, nimmt sie die Autonomiebestrebungen ihres Kindes wahr und reagiert darauf, indem sie sie unterstützt. So entwickelt sich das Kind, geschützt durch die Liebe, die es umgibt, mit sich und auch in seiner Beziehung zur Welt. Es ist eine Entwicklung, getragen von Liebe, hin zu einer Offenheit, Weite und Freiheit in der Welt.

In unserer Kultur kommen jedoch bald Glaubenssätze dazu, die diese Entwicklung beeinflussen, behindern, manchmal sogar stoppen. Glaubenssätze, in denen Müttern gesagt wird, was Kinder „sollten“. 

„Kinder sollten alleine in einem Raum durchschlafen.“

„Nur zu bestimmten Zeiten essen.“

„Ruhig sein, wenn Erwachsene sprechen.“

„Sich jetzt endlich mal benehmen.“

… und so vieles mehr!

All diese Glaubenssätze sind nur Gedankenkonstrukte, mentale Konzepte, Ideen mit denen Kinder fügsam gemacht und ihre Autonomie unterbunden werden soll. Letztlich sollen sie Erwachsenen das Leben erleichtern und Kinder kontrollierbar machen.

Bindung und Autonomie sind also keine Gegensätze. Sie ergänzen sich in einer natürlichen Entwicklung. Kinder wachsen in einer sicheren Bindung zu Menschen heran, die ihrer kreativen Neugier nachgehen können. Ihre Autonomie hilft ihnen Grenzen zu setzen und wahrzunehmen was in der Welt da draußen ihnen wohlgesonnen ist und wo Vorsicht nötig ist. Beides zusammen macht sie unabhängiger, je älter sie werden. 

Zeitenwende

„Versuch nicht den Löffel zu verbiegen. Das ist nämlich nicht möglich. Versuch dir stattdessen einfach die Wahrheit vorzustellen.“

„Welche Wahrheit?“

„Den Löffel gibt es nicht.“

Matrix

Zeitenwende

Demokratie lebt von Autonomie

Wir alle werden mit einem unvollkommenen Gehirn geboren. Es ist nur wenig ausdifferenziert und bietet uns daher die Fülle aller Möglichkeiten. Es ist egal, ob wir in Amerika, in China, im Dschungel oder in 3000 Meter Höhe zur Welt kommen. Unser Gehirn bietet alle Voraussetzungen, um uns der jeweiligen Umgebung anzupassen. Und Umgebung bedeutet für ein Neugeborenes erst einmal die Menschen, die es versorgen. Ob seine Mutter es eng wickelt, auf dem Rücken oder an der Brust trägt, das Baby wird sich anpassen. Seine körperliche und mentale Entwicklung wird positiv verlaufen, solange einige wenige Grundvoraussetzungen gegeben sind. Da Menschenkinder den Stand ihrer Entwicklung betreffend mindestens 9 Monate zu früh zur Welt kommen, brauchen sie nach der Geburt weitere 9 Monate, die der ungestörten Entwicklung im Mutterleib möglichst nahe kommen. Dies ist der Fall, wenn die Mutter sie rund um die Uhr trägt und das Kind freien Zugang zur Brust hat. Wie wir wissen, ist dies in der westlichen Welt kaum noch der Fall. Das Neugeborene erhält also in unserer Kultur, in der prägendsten Zeit seiner Entwicklung, nicht was es braucht, um ein stabiles Lenbensfundament auszubilden. Im schlimmsten Fall erlebt es, dass es schon sehr früh von ihm fremden Menschen betreut wird. Je nachdem wie die Betreuung organisiert ist und wie empathisch die betreuenden Personen sind, kann das Kind dies alles integrieren oder erleidet ein erstes Verlusttrauma. 

Im menschlichen Gehirn sind bei der Geburt verschiedene Systeme angelegt, die je nach Alter unterschiedlich ausgeprägt sind. Im ersten Lebensjahr dominiert das Bindungssystem, da Säuglinge ohne die Unterstützung anderer Menschen sterben würden. Sie sind auf Nahrung, Wärme, Zuwendung und Liebe angewiesen. Je unabhängiger das Kind wird, umso stärker meldet sich das Autonomiesystem. An diesem Punkt tauchen Konflikte zwischen Erwachsenen und Kindern auf. Je nach der Persönlichkeit der involvierten Menschen, sind diese Konflikte ausgeprägt oder fallen kaum auf. Ausgetragen werden sie immer. Wir Erwachsenen haben Ideen im Kopf, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sein zu wollen, wir haben es oft eilig und sind davon überzeugt, dass unsere Sicht der Welt die einzig mögliche sei. Dem wollen wir unsere Kinder unterordnen. Sie sollen sich anpassen und einfügen. Schließlich müssen Erwachsene arbeiten und Geld verdienen. Sie halten die Welt am Laufen und überblicken alles. Will sich das Kind nicht anpassen, entziehen wir ihm unsere Liebe. Sprich es muss sich entscheiden zwischen Autonomie und Bindung. Das kleine Kind kann sich letztlich nur für die Bindung entscheiden und opfert damit seine Autonomie. Alle seine Instinkte und Gefühle, die ihm sagen, was richtig und falsch ist, wird es aufgeben und sich den Erwachsenen unterordnen. Es wird aufhören zu weinen, wenn es in der Krippe abgegeben wird, es wird verzweifelt versuchen weitere Bindungspersonen zu finden, es wird sich immer wieder binden und dabei sich selbst verlieren. 

Der in seinem Inneren entstehende Druck wird vielleicht irgendwann als ADHS diagnostiziert werden und es wird Medikamente erhalten, um auch das letzte Gefühl von „ich bin“ zu unterdrücken. Hat es Eltern, die ähnliche Kreise in ihrer Kindheit durchliefen, ist eine Wiederholung des ganzen wahrscheinlicher. 

Erwachsene, die als Kinder ihr Autonomiebestreben aufgeben mussten, um eine wenigstens rudimentäre emotionale Versorgung zu erhalten, glauben als Erwachsene, sie hätten die Freiheit der Wahl, wenn sie drei Alternativen des Gleichen vor sich haben. Sie erkennen nicht, dass dies keine wirkliche Wahl ist. Falls sie es doch sehen, schauen sie auf die Menschen um sich und ordnen ihr Gefühl dem unter, was die anderen tun. Denn genau darauf wurden sie zu Hause, in der Kita, in Schule und Universität erzogen. 

Demokratie braucht jedoch Menschen, die hinterfragen. Menschen, die nur gelernt haben eine der schillernden Möglichkeiten, die ihnen angeboten werden, zu wählen, ohne sich zu fragen, ob die Welt vielleicht ganz anders funktionieren könnte, sind nicht in der Lage ein demokratisches System zu gestalten. Demokratie lebt von Autonomie.

poem

Bleib erschütterbar und widersteh

Also heut: zum Ersten, Zweiten, Letzten:
Allen Durchgedrehten, Umgehetzten,
was ich, kaum erhoben, wanken seh,
gestern an und morgen abgeschaltet:
Eh dein Kopf zum Totenkopf erkaltet:
bleib erschütterbar – doch widersteh!

Die uns Erde, Wasser, Luft versauen
– Fortschritt marsch! mit Gas und Gottvertrauen –
Ehe sie dich einvernehmen, eh
du im Strudel bist und schon im Solde,
wartend, daß die Kotze sich vergolde:

Schön, wie sich die Sterblichen berühren –
Knüppel zielen schon auf Hirn und Nieren,
daß der Liebe gleich der Mut vergeh …
Wer geduckt steht, will auch andre biegen.
(Sorgen brauchst du dir nicht selber zuzufügen;
alles, was gefürchtet wird, wird wahr!)
Bleib erschütterbar.
Bleib erschütterbar – doch widersteh.

Widersteht! im Siegen Ungeübte,
zwischen Scylla hier und dort Charybde
schwankt der Wechselkurs der Odyssee …
Finsternis kommt reichlich nachgeflossen;
aber du mit – such sie dir! – Genossen!
teilst das Dunkel, und es teilt sich die Gefahr,
leicht und jäh – – –
Bleib erschütterbar!
Bleib erschütterbar – und widersteh.

Peter Rümkorf

Wir alle sind Natur

[ …] Besser als dich vor deinem Tod zu verstecken oder deine Angst davor zu unterdrücken, ist es, deinen Tod zu umarmen. Es wird dir helfen.

KIM: Wieso denn?

THOMAS: Weil es dich dazu bringt, dich zu zeigen. Gerade weil du dir der Grenzen des Lebens bewusst bist, musst du zwangsweise hervorbringen, was in dir ist; dies ist die einzige Zeitspanne, die dir zur Verfügung steht, um dich zu zeigen. Du kannst dich nicht zurückhalten oder in einer Höhle verstecken, du kannst deine Zeit nicht mit einer bedeutungslosen Arbeit vergeuden und dein Leben mit Trivialitäten vollstopfen – die Dramatik der kosmischen Geschichte würde das nicht zulassen. Den größten Nachdruck legt das Leben darauf, dass du dich auf das Abenteuer einlässt, dich selbst zu erschaffen. Jeder Augenblick deines Lebens trägt unendliche Bedeutung in sich; alles ruht nun auf deiner schöpferischen Kraft, dich selbst zu formen, denn aus dir heraus kommt die höchste Wirklichkeit. Die Kräfte, die die Sterne formten, sind nun in deinem Selbst-Bewusstsein, und sie schaffen für dich dein ureigenes und freiheitliches Abenteuer, deine Überraschung für das Universum.

Ja, der Tod ist erschreckend. Spiel das nicht herunter, Versuch nicht, ihn zu verharmlosen oder deine kümmerlichen Vorstellungen auf ihn zu projizieren. Gebrauche stattdessen das Bewusstsein deines Todes als Licht oder Treibstoff: als geheimen Führer, der dich in die unbekannten und geheimnisvollen Höhlen deines Ichs führt, damit du ans Licht bringen kannst, was du wirklich bist. Deine Kreativität braucht dein Todesbewusstsein, um Energie frei setzen zu können, genau wie deine Muskeln ausdauerndes und schmerzhaftes Training brauchen. Würdige dein Todesbewusstsein als Geschenk des Universums an dich. Wenn dir dieser Weg, den unendlichen Wert jedes Augenblicks zu sehen, nicht gegeben wäre – was sonst würde dich dazu bringen, dein Leben zu leben?

Das Aufregende gerade an unserer Zeit ist die drohende Vision unseres Todes als Spezies, unseres ganzen Planeten. Sicher, das ist Angst einflößend, schrecklich und entsetzlich. Doch gerade diese Erkenntnis birgt die Macht, unsere tiefsten Reichtümer freizusetzen. Wir können nicht mehr länger mit unserem bisherigen Weltbild leben. Wir wissen, dass wir etwas zu tun haben, dass wir etwas verändern und neu schaffen müssen, und zwar in der grundsätzlichen Sicht der Dinge. Die erschreckende Vision einer erloschenen Erde ist psychische Nahrung für die menschliche Spezies. Sie versorgt uns mit der Energie, die wir benötigen, um uns selbst als Kopf und Herz unseres Planeten neu zu erfinden. Wir unternehmen gerade die ersten Schritte hinein in die planetarische und kosmische Dimension des Lebens, indem wir unser anthropozentrisches modernes Zeitalter verlassen, um in das erwachende kosmozentrische Universum einzutauchen.

KIM: Aber was heißt das, Kopf und Herz unseres Planeten zu werden?

THOMAS: Das heißt, dass wir uns in unserem Leben bewusst werden müssen, dass sich die Kräfte, die die Erde schufen, durch uns ihrer selbst bewusst werden. Aus diesem Grund reden wir über den Nachthimmel, das Meer und das Land. Sie alle enthüllen kosmische Kräfte, die wir haben und zu denen wir werden sollen. Wir sollen als Verlockung und Erinnerung leben, als funkelnde Sensibilität. Und das ist mit der kosmischen Dynamik gemeint, die durch die verschiedenen Lebensformen offenbar wird: Überraschung und Abenteuer. Nenn es ein Spiel – ein Spiel voller Abenteuer und Überraschungen. Das ist es, was das Leben offenbart – das ist das Leben.

Das Universum ist ein grüner Drache, Brian Swimme