Aktuell

„That we do not discover reality but rather invent it is quite shocking for many people. And the shocking part about it – according to the concept of radical constructivism – is that the only thing we can ever know about the real reality (if it even exists) is what it is n o t. It is only with the collapse of our constructions of reality that we first discover that the world is not the way we have imagined.“
Talk by Watzlawick: www.paulwatzlawick-institut.at

Aktuell, Trauma und transgenerationale Übertragung

‚Wie kommt das Böse in die Welt?‘

„Wie kommt das Böse in die Welt? Mir wurde immer klarer: Das Böse wird in jeder Generation neu erschaffen. Das Neugeborene ist unschuldig. Wie auch immer seine Anlagen sein mögen, das Neugeborene verspürt nicht den Drang, Leben zu zerstören, sondern es will gepflegt, geschützt und geliebt werden und selbst lieben. Wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt werden, wenn das Kind statt dessen mißhandelt wird, werden hier Weichen gestellt. Ein Mensch fühlt sich nur dann zur Destruktion gedrängt, wenn seine Seele am Anfang seines Lebens gefoltert wurde. Ein in Liebe und Achtung aufgewachsenes Kind ist nicht für Kriege motiviert. Das Böse gehört nicht notwendig zur menschlichen Natur.“
Alice Miller in: ‚Evas Erwachen. Über die Auflösung emotionaler Blindheit‘

Wenn es so ist, sollten wir uns die Kindheiten unserer politischen Führer ansehen. Wir sollten schauen, wie sie behandelt wurden. Ob sie mehr emotionale Wärme oder Kälte erfahren haben. Therapie und die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit und den transgenerationalen Übertragungen aus unserem Familiensystem sollten eine Vorraussetzung für ein politischen Amt sein. Solange emotionaler Missbrauch nicht gesehen und der Schmerz darüber nicht gespürt werden durfte, wird er wiederholt. Wieder und wieder. Wer Krieg in seiner Seele hat, wird Krieg als Mittel des menschlichen Umgangs miteinander sehen. Wer als Kind keine bedingungslose Liebe erfahren hat und sich stattdessen an die Wünsche von Menschen anpassen musste, von denen seine Existenz abhing, wächst in Machtverhältnissen auf, die er verinnerlicht und als Erwachsener, so oder ähnlich, in die Welt trägt.
Wir alle sind so aufgewachsen. Unsere Eltern waren und sind traumatisiert durch Kriege oder durch das Aufwachsen mit traumatisierten Eltern. Als Kind angeschrieen, mit emotionaler Kälte behandelt, körperlich misshandelt oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt zu sein, erinnert fatal an Krieg. Auf jeden Fall erzeugt es in uns Trauma. Kinder können sich erst einmal nicht selbst schützen. Sie sind auf Schutz angewiesen.
Die Kindheiten vieler Politiker wurden beschrieben. Wir wissen wie Hitler, Stalin, beide Clintons, Trump, Putin und viele andere aufwuchsen. Wir wissen, dass sie emotionale Folter, Misshandlung, sexuelle Traumata, emotionale Kälte, frühe Trennung von ihren Eltern und viel Schlimmes mehr erfahren haben. Wie können wir nur auf die Idee kommen, dass Menschen, die so gelitten haben, ohne dieses Leid aufzuarbeiten, nur weil sie eloquente und charmante Masken tragen, gut für unsere Welt sein könnten? Wir können es nur deshalb, weil wir auch verletzt sind. Weil wir ähnliche Wunden tragen. Weil wir nicht an diese Wunden, ja noch nicht einmal an die Möglichkeit dieser Wunden erinnert werden wollen. Würden wir die Möglichkeit kindlicher Traumata in Betracht ziehen, könnten sich die dunklen Stellen in uns melden, in die wir unseren kindlichen Schmerz, unsere Verzweiflung und unsere Hilflosigkeit verbannt haben. Und das möchten wir vermeiden, weil diese inneren Anteile nicht wissen, dass wir inzwischen erwachsen sind. Dass Zeit vergangen ist und wir heute andere Möglichkeiten haben mit schwierigen Gefühlen umzugehen.

Aktuell, Mikroskop

„Der Prozess des Erkennens erschafft das Erkannte.“
Francisco Varela

Aktuell, Ich - Du - Wir

Licht

Wenn wir auf diese Welt kommen, steht dahinter auch die Idee, uns hier, in der Polarität und durch die Polarität zu dem Wesen zu entwickeln, das wir eigentlich sind. Das Wissen darüber haben wir noch, wenn wir geboren werden. Dieses Wissen ist unser Licht, das uns über wachsende Bewusstheit in die Erkenntnis der Welt führt. Dann integrieren wir uns in das jeweiligen System und vergessen, was uns eigentlich ausmacht und führt. Diesen großen Mangel versuchen wir mit den Angeboten des Systems zu kompensieren. Was auch immer das ist: Leistung, Geld, Macht, Kontrolle, Süchte, usw. Und die meisten von uns -vielleicht auch alle- stecken darin fest. Mehr oder weniger.
Durch die Anpassung ans System haben wir den inneren Kontakt zu uns verloren. Der läuft immer über den Körper und damit über unsere Intuition. Unser Körper hat alles gespeichert, was wir jemals erlebt haben. Auf Grund dessen ist er wundervoll in der Lage uns mitzuteilen, ob das, was wir im Außen antreffen, die Impulse von anderen oder vom Leben, ebenso wie die Impulse, die als Reaktion aus unserem Inneren aufsteigen, uns einen Weg zurück in die Erinnerung und nach vorne in die Erkenntnis zeigen, oder uns davon abraten.
Daher sind aus meiner Sicht alle Menschen, Tiere, Situationen, was auch immer, ein Spiegel für uns, an dem entlang unsere Entwicklung sich entfaltet.

Eine ganz einfache Übung, um unsere Intuition fließen zu lassen, ist die Frage: Was fühle ich zu diesem Menschen, dieser Situation? Entsteht in mir ein Gefühl der Weite? Der Wärme oder der Ruhe? Entspanne ich mich beim Gedanken daran? Oder spüre ich Enge, Verkrampfung, Zusammenziehen?

Wenn ich dich ansehe, sehe ich dein Licht. Und ich sehe, wie du leuchtest. Vielleicht kannst du es selbst noch nicht erkennen. Und doch ist es da …
Lassen wir unser Licht leuchten, zieht es viele Menschen an, die ihr eigenes Licht nicht spüren können und an unserem partizipieren möchten. Sie werden leicht fordernd, weil sie eine solche Sehnsucht nach Licht haben. Und ihre Dunkelheit, in der sie leben, ist oft sehr groß. Also versuchen sie mit unterschiedlichen Mitteln uns dazu zu bringen, Ihnen unser Licht zu schenken. Quasi „für sie zu leuchten“. Das funktioniert natürlich nur bedingt. Wir sind dann schnell mehr mit ihnen beschäftigt, als wir eigentlich möchten. Wir beginnen uns zu vernachlässigen, da unsere Energie nach außen fließt, statt in uns zu zirkulieren und dann transformiert nach außen zu gehen. Wir vernachlässigen unseren Körper, unseren Geist, unsere Seele.
Daher ist es wichtig, auf uns zu schauen. Nicht, weil wir egoistisch sind. Im Gegenteil. Schauen wir auf uns, entwickeln wir alles, wofür wir hierher gekommen sind. Und davon profitieren auch die Menschen, denen wir wirklich nahe sein wollen.
Und auch die, die von unserem Licht leben wollen, können sehen, dass es einen anderen Weg gibt in Glück und Liebe zu leben. Nämlich den, nach innen, statt nach außen zu schauen. Denn alles, was wir wirklich wirklich brauchen, liegt und lebt in uns.

Aktuell, Trauma und transgenerationale Übertragung

Traumatische Erinnerungen verändern – eine Möglichkeit der Traumaheilung

Kontrollverlust in der Vergangenheit (der erwachsenen oder der Kindheit) kann dazu führen, dass Menschen in ihrer Gegenwart sehr viel Kontrolle benötigen. Dahinter stehen innere jüngere Anteile, die eigentlich Kontrolle über schwierige Erlebnisse in der Vergangenheit möchten, und versuchen das durch Kontrolle der Gegenwart zu realisieren. Der so oder ähnlich dazugehörende Gedanke „Damals hat der Kontrollverlust zu XY geführt. Das war furchtbar. Das darf nie wieder geschehen. Also brauche ich heute ganz viel Kontrolle.“.

Vergangenheit ist nicht real. Sie kann weder gesehen noch er-/begriffen werden. Vergangenheit nährt sich aus unserer Erinnerung, diese ist und war nie statisch. Nur traumatische Erinnerungen spielen sich immer wieder exakt so ab, wie sie von dem Menschen in dem Moment erlebt wurden. Jede andere Erinnerung verändert sich mit jedem Erzählen, mit der Zeit die seitdem vergangen ist oder mit den Veränderungen des jeweiligen Menschen.

Doch auch traumatische Erinnerungen, die erst mal in ihrer Traumarelevanz und im Zusammenhang mit gegenwärtigen Geschehnissen gar nicht gesehen werden, können ins Bewusstsein gebracht und dann verändert werden.

Dazu ist es wichtig zu wissen, dass wir immer heilen wollen. In uns wohnt Heilwissen, das durchgängig versucht Körper und Geist in einen harmonischen Zustand zu versetzen. In uns existiert ein Abbild, das uns in vollkommener Gesundheit zeigt. Und alles in uns möchte uns in genau diesen Zustand versetzen. Gut beobachten können wir dieses Wirken, wenn wir eine Verletzung haben und wir augenblicklich beginnen die Verletzung zu heilen. Das gleiche geschieht bei Erkrankungen wie Erkältung, Brüchen, Entzündungen, etc.
Alles in uns ist auf diesen gesunden Zustand ausgerichtet und wirkt daran mit, ihn zu erreichen.

Ebenso verhält es sich, wenn nach einem Trauma Körper und Psyche auf eine bestimmte Weise reagieren, also zum Beispiel die Erinnerung an den Moment des Traumas stabil abgespeichert wird, da die überflutenden Bilder, Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken zu dem Zeitpunkt nicht verarbeitet werden können. Dadurch sorgt der Körper für die augenblickliche Sicherheit und gleichzeitig besteht durch die Speicherung die Möglichkeit das Geschehene zu einem späteren Zeitpunkt zu integrieren.
All das macht viel Sinn und würde wahrscheinlich zu einer hilfreichen Integration führen, wenn das Traumageschehen auf eine unverletzte Psyche und ein weitgehend gesundes Umfeld träfe. Da wir jedoch quasi alle von Trauma betroffen sind und wie Franz Ruppert schreibt „in einer traumatisierten Gesellschaft“ leben, bestehen nur wenige Möglichkeiten das Trauma vollständig in die Psyche zu integrieren und auf körperlicher Ebene loszulassen.

Zurück zur Kontrolle, als einem Indikator für Trauma. Oft wird versucht traumatisierte Menschen davon zu überzeugen, sie müssten ihr Verhalten ändern, zum Beispiel Kontrolle aufgeben. Das kann auch für eine kürzere Zeit gelingen, doch bald wird unser innerer Anteil, der in der Vergangenheit den Kontrollverlust erlebt hat, für erneute Kontrolle sorgen. Kommt es dadurch zu einer schwierigen Situation, bestätigt sich „Ich muss genau schauen, wie es läuft (Kontrolle), sonst geschehen Unglücke.“. Der vorherige Zustand ist wieder hergestellt, hat sich eventuell noch verschärft.
Statt Menschen die Kontrolle über ihr jetziges Sein zu nehmen, ist es sinnvoller, die Vergangenheit zu ändern, indem man traumatische Situationen identifiziert und in der Retrospektive die Kontrolle darüber gewinnt. Dies geht über die Veränderung der ursprünglichen Situation. Angestrebt wird ein Erleben, in dem Handlung gelingt und der Ausgang der Situation verändert wird.
Damit wird an der Ursache, statt an der Auswirkung gearbeitet. Gelingt dies, können innere Anteile die Erfahrung machen, dass sie auch in überwältigenden Situationen handlungsfähig sind und bleiben. Das Kind in uns macht auch die Erfahrung, dass seit dem Erleben der traumatischen Situation Zeit vergangen ist und unser Handlungsspektrum sich erweitert hat. Dem Kind von damals steht nun der erwachsene Mensch von heute zur Seite. Dadurch entsteht Sicherheit, aus der heraus Vertrauen in sich, andere und das Leben wachsen kann.

Aktuell, Mikroskop

Veränderung ‚ist‘

Die Veränderung am Strand zu beobachten fasziniert mich jeden Tag neu. Nichts bleibt wie es ist. Das Wasser kommt und alle Spuren von zuvor sind getilgt.
So sollten wir leben. Wissend, dass nichts bleibt. Wir uns keine Denkmäler bauen können, wir keine Spuren hinterlassen können. Wir kommen, sind und gehen. Lösen uns auf und nähren, was nach uns kommt. Und doch … nichts vergeht. Alles ist Energie.
Wir sind die Veränderung, die geschieht, während wir leben. Jeder von uns hat seinen Teil dazugegeben.
Und darum lasst uns, uns gegenseitig entlasten. Immer und immer wieder. So dass unsere Leben leicht und zart wie die Blüten eines Kirschbaumes mit dem Wind fliegen können.

„Change is a constant process, stability is an illusion“ Insoo Kim Berg

Aktuell, Südamerika

Im Labyrinth

Ist es nicht ganz wundervoll, wie sich im Leben immer wieder die Dinge fügen? Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir bereit sind unsere mentale Programmierung als das zu erkennen was sie ist: Eine Programmierung! Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit uns und unserem Seelenweg, unserem Dharma, wie es die Hindus nennen, zu tun. Bewusstheit darüber führt normalerweise dazu, dass ich eine Entscheidung für oder gegen ein solches Leben treffen kann.
Nun, ich habe sie getroffen. Ich fließe mit dem Strom, den das Leben mir in jedem Moment anbietet. Trotz oder auch gerade wegen des gesamten Spektrums an Emotionen, die damit verbunden sind. Auf diese Weise habe ich Deutschland verlassen, habe Paraguay verlassen, um an einem entlegenen Punkt in Brasilien zu landen. Mit blauem Himmel ohne jegliche Chemtrails, einem türkisfarbenen Meer, täglichen Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad, sehr viel Ruhe und freundlichen Menschen. Die Tropen, alles tranquillo und leicht. Ich arbeite das nicht im Kopf ab. Stattdessen nehme ich die Impulse wahr, die in meinem Inneren oder im Außen entstehen und prüfe sie. Erzeugen sie in mir Weite und Ruhe oder eine kichernde Begeisterung, sind es Herzens- und Seelenimpulse. Oder ich empfinde Spannung, Enge, ein Zusammenziehen im Körper, dann weiß ich, es ist besser ihnen nicht oder nur mit großer Vorsicht zu folgen. Es ist ein labyrinthischer Weg. Du betritst das Labyrinth und kurz darauf stehst du fast in der Mitte, am Ziel. Doch dann dreht sich der Weg und du entfernst dich immer weiter von deinem Ziel. So lange, bis du es aus dem Blick verloren hast. Das ist der Punkt, an dem du dich fragst, was du hier tust. Wieso bist du aufgebrochen (welch ein Wort! Welche Schale um uns müssen wir „aufbrechen“, um uns auf den Weg machen zu können? Ich liebe Wörter!)? Was war deine Motivation? Wozu das alles? Mit den Gedanken kommen Ängste. Zweifel. Alte Schuld- und Schamgefühle können sich melden. Hier lebt der Minotaurus. Das Ungeheuer, das deine Seele essen möchte. Ja -Angst essen Seele auf! Falls es je einen Ariadnefaden gab, dann hatte er nur den Zweck dich über genau diesen Punkt hinaus zu führen. Denn das Labyrinth ist kein Irrgarten. Es führt nur ein Weg hinein und der gleiche Weg führt auch wieder hinaus. Es ist ein Sinnbild für unseren Lebensweg oder für eine spirituelle Reise, das seit der Jungsteinzeit bekannt ist. Labyrinthe wurden auf allen Kontinenten gefunden. Hier in Südamerika oder in Australien als spiralförmige Muster, meist in Felsen geritzt, in Europa, Asien, Afrika, Ägypten oder Palästina in ihrer klassischen Form. Wer das Labyrinth betritt, begibt sich auf seine Heldenreise. Er verlässt seine Komfortzone, wagt sich ins Unbekannte, geht auf Abenteuer. Er setzt sich aus (auch so ein Begriff, der ins Mark trifft und Gänsehaut verursacht!) und lässt zu, dass er verändert wird. Und das Leben wird den Mutigen verändern. Es wird ihn streicheln, sandstrahlen, häuten. Es wird ihn wärmen und kühlen. Er wird nass werden und durch den Wind sein. Kehrt er nach Hause zurück, wird er nicht mehr der Gleiche sein. Verändert, mehr in seiner Mitte, der Blick klarer und geweitet, der Rücken gerade, unterscheidet er mehr denn je, was ihm und der Welt dient und was nicht.

Unsere Seele möchte nur eines: Entwicklung hin zu mehr Bewusstheit. Folgen wir alle unserem Dharma, erschaffen wir eine seelenvolle Welt für alle. Und was das bedeuten könnte, sollten wir uns hin und wieder ausmalen. Es wäre Schönheit in ihrer reinsten Form!

Aktuell, Ich - Du - Wir

Tiefe

Wie entsteht Tiefe in uns?
Indem wir uns in unserer Tiefe annehmen.
Indem wir jedes Gefühl voll auskosten.
Jeden Schmerz, jede Verzweiflung, jede Freude, jedes einzelne Gefühl.
Menschen sind in ihrer gegenseitigen Tiefe wie zwei verbundene Gefäße, in denen das Wasser immer gleich hoch steht. So kann ich einen anderen nie tiefer treffen, als es meiner Tiefe entspricht.

Aktuell, poem

Ich verändere mich.
Langsam. Kaum merklich.
Eine Knospe in mir öffnet sich.
Fast kann ich sagen „Ich bin wertvoll“.

Ich spüre die Bewegung in meinem Inneren.
Raum gebend.
So wie sein Gesang dem kleinen Vogel Raum gibt.
Hörbar für andere und die Welt.

Südamerika

Die Spur aufnehmen

Du landest in Paraguay und hast das Gefühl eines Kulturschocks. Bleibst du länger und offen für die Verbindungen zwischen dir und deiner Umwelt, erkennst du, es liegt an der Spiegelung.
Paraguay spiegelt dir alles, was du bereit bist in dir zu sehen, damit du es heilen kannst. Deine nicht erfüllten Träume, die am Wegrand abgelegten Ideen, alles was du nicht mehr haben wolltest und wegwarfst. Das Land ist so unvollkommen, wie du dich in den Tiefen deines Seins fühlst.
Und es spiegelt dir auch alles, das du nicht sehen möchtest. Die Ängste und Schmerzen und die Verzweiflung von früher. Du dachtest das sei weg. Begraben und vergessen, irgendwo in der Vergangenheit zurückgeblieben. Jetzt erkennst du, es war immer bei dir und es ist immer noch da. Dann nimmt das Land dir deine Kontrolle. Heimlich und leise bekommen die Wände, die du um deine Unzulänglichkeiten gezogen hast, Risse. Sand und Mörtel bröseln, es entstehen Lücken und erste Steine wackeln. Du gibst alles, um das aufrechtzuerhalten, was dir in deiner Heimat noch so wichtig erschien. Du kaufst ein Grundstück, baust ein großes Haus, fährst nach Ciudad del Este, um all die Dinge zu bekommen, die dich von den Ängsten in dir ablenken könnten. Vielleicht gehst du nach Encarnacion und verlierst dich im Sonnenuntergang und deinen Strandträumen. Oder du suchst dir tolle Restaurants, in der Hoffnung mit gutem Essen oder viel Alkohol all das begraben zu können, was sich seinen Weg ins Licht sucht. Wahrscheinlich tust du all das.
Aber Paraguay bleibt was es ist. Unvollkommen, halbfertig und vergessen, belebt und wieder losgelassen. Ruinen und Müll zeugen von verlorenen Träumen. Und die verlorenen Träume in dir hören den Ruf und ihr Echo singt in dir.
Es zu hören wäre deine Chance jetzt noch, so viele Jahre nach deiner Kindheit, all die liegengelassenen, die ungewollten, die beängstigenden Gefühle wieder zu dir zu nehmen. Sie als Teil von dir anzuerkennen und das kleine Kind von damals mit Liebe und Mitgefühl zu betrachten.
Hör hin. Hör das Summen und Zirpen, das Murmeln. Die klaren und die schiefen Töne, die dir von all den verpassten Gelegenheiten, den ekstatisch begonnen Aufbrüchen, den als lieblos erlebten Enttäuschungen erzählen. Von den großen Ideen, dem Traum, an den du glaubtest – von all den Hoffnungen, die sich nicht erfüllten. Wenn du es jetzt schaffst dich ihnen zuzuwenden, sie anzuschauen und sie aufzulesen, dann bist du auf dem Weg von La Loba, der Wolfsfrau, die alle Knochen des Wolfs einsammelt und sie besingt, bis Muskeln und Sehnen und Haut auf ihnen erscheinen, bis die Wölfin aufspringt und losrennt, um sich weiter vorne in die Frau zu verwandeln, die sie tief im Innern immer war. Dann hast du die Spur zu deiner Seele wieder aufgenommen.