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Trauma und transgenerationale Übertragung

Friede

Wir haben uns eine Welt erschaffen, in der …

… das Äußere wichtiger erscheint, als das Innere. Wir alle haben es erschaffen. Jeder und jede einzelne. Weil wir den Krieg, die Gewalt in uns tragen und es verbergen möchten. Wir betonen das Äußere so sehr, weil im Inneren soviel Angst herrscht. Wir tragen das Trauma in uns. Nicht erst seit kurzem, sondern seit Tausenden von Jahren. Es ist ein Teil von uns geworden, daher sehen wir es nicht.

Jetzt ist die Zeit da, dies zu erkennen und unser Inneres zu heilen, damit unsere Gesellschaften heilen kann. Solange wir den Feind nur im Außen suchen, erkennen wir nicht, dass wir es selbst sind, die mit uns im Krieg leben. Wir projizieren unsere Ängste, unseren Widerstand, unsere Spaltung nach außen und versuchen sie dort zu heilen, während wir genau diese Spaltung in allen Bereichen, die wir betreten, säen. Sie umgibt uns wie eine zweite Haut. Spaltung ist Trauma, das aus uns effundiert. Und “uns“ meint die gesamte Menschheit.

Es ist an der Zeit, dass wir uns unseren Ängsten stellen. Dass wir nach innen schauen und voll Liebe die Schrecken begrüßen, die wir dort vermuten. Ja, es wird wehtun.  Ja, wir werden weinen, traurig sein und wütend werden. Doch wenn wir jedem Gefühl seinen Moment lassen, werden alle Gefühle, die auftauchen auch wieder vergehen. Und darunter wartet Weite. Und Leichtigkeit. Und Liebe. Unser Blick wird klar werden und wir werden die Welt sehen können, wie sie wirklich ist. Und dann werden wir wissen, was zu tun ist. Und wir werden es tun. Wenn in uns keine Gewalt, keine Spaltung, kein Hass und keine Angst mehr wohnen, wird auch in der Welt Friede sein.

Ich - Du - Wir

Spiegelung ist Identität


„Forschungen der US-Wissenschaftler Andrew Meltzoff und Keith Moore, Mitte der 1990er Jahre zeigten:

Kinder (Neugeborene) wissen, dass die Empfindungen, die sie innen haben, nach außen ein Körper sind, nicht anders als jener (der Körper der Mutter) vor ihnen. Schon Neugeborene erleben ihre Mutter somit als ein Gegenüber. Säuglinge wissen offenbar auch, dass der mütterliche Körper mit genau der gleichen Innerlichkeit begabt ist, die sie selbst fühlen. Neugeborene verstehen vielleicht sonst nichts, aber eine Sache wissen sie mit einer Klarheit, um die wir sie beneiden können: Dass sie Lebewesen sind, deren Gefühle eine mit den Fingern betastbare, mit den Blicken wahrzunehmende sichtbare Außenseite haben. Oder, noch allgemeiner ausgedrückt: Sie wissen, dass sie Materie sind, die zu Gefühlen fähig ist.

(…)

Für den Bewusstseinsforscher und Philosophen Evan Thompson von der Universität Toronto zeigen diese Experimente: “Für Neugeborene ist die Erfahrung, dass sie ein Ich haben, an die Gegenwart von anderen Menschen gekoppelt.“ Bewusstsein forme sich wie in einem Pingpongspiel aus der Kommunikation zwischen dem eigenen Selbst und dem der anderen Menschen. Bewusstsein ist darum immer auf die Präsenz eines Gegenübers angewiesen. Es ist weniger subjektiv, als intersubjektiv, wie Thompson glaubt. Der Schlüssel für eine gesunde Entwicklung läge damit in der Empathie: In der Möglichkeit, eigene Gefühle zu erfahren, indem man sie an anderen erkennt, von denen man weiß, dass sie ebenfalls fühlen. Werden zu können hieße, geliebt werden zu dürfen – als eine biologische Notwendigkeit.

Darum – nicht aufgrund einer vorgezeichneten symbiotischen Einheit mit der Mutter – bleibt der werdende Mensch sein Leben lang auf eine Form von Symbiose angewiesen. Nur indem ich mich in bestehenden Strukturen widerspiegele, gewinne ich für mich selbst Struktur. Das Neugeborene erlebt sich getrennt, und zugleich wird es nur im Wechselspiel mit anderen zu einem Selbst – indem es die Trennung überwindet. Der Säugling muss sich im Gesicht der Mutter (oder des Vaters oder einer anderen zentralen Bezugsperson) spiegeln, um sich selbst erkennen zu können. Ihr Blick macht ihn zu dem, der er sein wird – und je nachdem wie empathisch, einfühlsam und liebevoll der Blick ausfällt, wird der neue Mensch ein anderer. Hirn-Experimente mit Affen zeigten, dass das Ausmaß der elterlichen Fürsorge den anatomischen Aufbau des Denkorgans in entscheidender Weise beeinflusst. Gefühle, die ein Kind bis zu einem bestimmten Lebensalter nicht erlebt, weil sie ihm von seinem Gegenüber nicht entgegengebracht werden, löschen sich aus der Architektur des Gehirns und sind dann für ein ganzes Leben unheilbar verloren.“

Andreas Weber, “Alles fühlt

Ich - Du - Wir

Empathieverweigerung

Wieso verweigern Menschen anderen ihre Empathie? Wieso verweigern sie sogar ihren Kindern ihre Empathie? Wieso hören sie im Schreien des Säuglings nicht seinen Schmerz? Was treibt die dazu, ihr Baby alleine in ein Zimmer zu legen und davon auszugehen, so werde dieses kleine Kind „richtig“ zum Schlafen oder sogar Durchschlafen erzogen? Wieso legen sie soviel Wert auf Erziehung und so wenig auf Beziehung? Was bringt Eltern dazu ihre Kinder abzulehnen, zu demütigen, zu verletzen?

Noch bis 1987 konnte man das Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ von Johanna Haarer in deutschen Buchhandlungen kaufen. Es wurde in den 1930ern verfasst. 1949 wurde der Titel in „Die Mutter und ihr erstes Kind“ geändert. Während der Nazizeit erreichte es eine Auflage von 600 000 Büchern und nach 1949 nochmals 600 000. 

Voller schwarzer Pädagogik, wies es Mütter an, ihre Kinder direkt nach der Geburt wegzulegen und einen Tag lang nicht zu beachten, bestimmte genau, dass die Mutter nur alle vier, im Ausnahmefall alle drei Stunden stillen dürfe, nachts acht Stunden Stillpause einzulegen habe und dazwischen das Kind nur beachten dürfe, wenn es sauber gemacht werden musste oder krank war. 

Frau Haarer sprach dem Kind jegliche Gefühle ab, außer dem mächtigen Wunsch nach Macht über die Mutter. Gäbe man dem auch nur einmal nach, ziehe man sich einen kleinen Tyrannen heran.

Alleine war Frau Haarer mit ihren abstrusen Vorstellungen nicht. Auch noch bis in die 1980er Jahre gingen Mediziner davon aus, dass kleine Kinder keine Schmerzen empfänden. Daher wurde bei Operationen an Kindern bis Ende der 1980er, nur wenig Narkosemittel und oft kein Schmerzmittel verabreicht. Schreien und entsprechende Mimik wurden als Reflexe gedeutet.

Wie konnte es dazu kommen? Wissen wir inzwischen doch, dass Mütter instinktiv die Gefühle ihres Kindes wahrnehmen, erfassen und einsortieren, was sie direkt veranlasst ihr Kind zu beruhigen, es hochzunehmen mit aller Kraft dafür einzutreten, dass es dem Kind schnellstmöglich wieder gutgeht. Wir wissen auch, dass wir über unsere Spiegelneuronen die Gefühle des Gegenübers wahrnehmen, als erlebten wir die Situation selbst.

Es scheint so, als sei es den Menschen, die Haarers Anweisungen folgten, den Medizinern, die Kinder operierten und ihnen Schmerz- und Narkosemittel verweigerten, oder den Eltern, die ihre Kinder all dem auslieferten und die Anweisungen der schwarzen Pädagogik befolgten, nicht möglich gewesen, die Gefühle ihrer Kinder zu erkennen. Es war ihnen nicht klar, dass sie Kindern Gewalt antun, Gewaltthesen verbreiten und andere zur Gewalt gegen Kinder aufriefen. Sie hatten ihre Empathie unterdrückt, einen Teil ihrer Seele verbannt.

Gewalt ist leider ein Erfolgsrezept. Sie wirkt. Kinder die Gewalt erleben, passen sich dem Aggressor an. Sie entwickeln große Antennen für ihn und andere, versuchen seine Gedanken zu lesen, zu erraten in welcher Stimmung er ist, ob Gefahr droht.

Oft wird Gewalt, die Kinder erleben, in drei Bereiche unterteilt, die eine Steigerung implizieren:

  • Emotionale (seelische, psychische) Gewalt 
  • Körperliche Gewalt
  • Sexualisierte Gewalt 

Sexualisierte Gewalt geht immer auch mit körperlicher und emotionaler Gewalt einher, körperliche Gewalt beinhaltet auch emotionale Gewalt.

Auf den ersten Blick, scheint emotionale Gewalt weniger schlimm zu sein. Allerdings kämpfen Menschen, die Gewalt erlebten, oft mit erfahrener emotionalen Gewalt viel länger und nachhaltiger, als mit körperlicher oder sexualisierter Gewalt (das gilt natürlich nicht immer und schon gar nicht für körperliche und sexualisierte Folter, die unabsehbare Auswirkungen nach sich ziehen kann). 

Das geht unter anderem darauf zurück, dass es oft sehr lange dauert, bis emotionale Gewalt als solche von Betroffenen wahrgenommen wird. Sie wächst in jede Zelle, drängt sich in jedes Organ, lässt sich vom Blut in jeden noch so abgelegenen Winkel des Körpers tragen. Sie wird Teil des Menschen. Unsichtbar, weil sie sich als die Person selbst tarnt.
Ihr Vorteil liegt in ihrer „Subtilität“, in der Selbstverständlichkeit, mit der sie vorgibt Teil zu sein, dazu zu gehören. Und auch in unserem sozialen System und den daraus folgenden Glaubenssätzen, die wir verinnerlicht haben. 

Emotionale Gewalt wird oft nicht als Gewalt gesehen, sondern als Rauheit, Grobheit oder Unfähigkeit eines Menschen seine „wahren“ Gefühle zu zeigen, missdeutet.

Beispiele für verbale emotionale Gewalt sind: 

„Du bist schlecht. Durch das, was du tust oder eben nicht tust, verursachst du Leid. Meines und das von anderen. Siehst du, was du deiner Mutter angetan hast? Sie weint. Das ist deine Schuld. Wir haben nur wegen dir gestritten. Nichts kriegst du hin. Du bist dumm. Tölpel. Du hast zwei linke Hände und stolperst über deine eigenen Füße. Kannst du einmal etwas richtig machen? Ich wollte du wärst nicht geboren. Geh! Ich kann dich nicht mehr ertragen! Wie du wieder aussiehst.“

Daneben gibt es die bedeutenden Blicke, die abwertenden Gesten, das Nicht-Beachten, Ironie, Zynismus, das bewusste Vorziehen von Geschwistern, bösartige Bemerkungen im Beisein Dritter. Böse Worte und/oder ein böser Tonfall, Mimik und Körperhaltung, die hochgezogene Augenbraue, Witze auf Kosten anderer oder Vorwürfe, die wie aus heiterem Himmel kommen. Manipulation, etwas steif und fest behaupten, Gegenargumente klein machen und bagatellisieren. Nichts als gut genug befinden, Anerkennung höchstens für Teilbereiche zugestehen.

Wie können wir dieses umfassende Entstehen emotionaler Gewalt erklären?

Wir leben in einem System, das auf Hierarchien baut. Dieses System hatte vor circa 10 000 Jahren mit dem Beginn des seßhaft Werdens der Menschen seinen Ursprung. Während in nomadisch lebenden Gemeinschaften die Fähigkeiten jeder einzelnen Person für die Gruppe als Ganzes wichtig waren, wurden nun Bauern, Züchter und andere, die einen Überschuss an Nahrungsmitteln und weitere, für die Gemeinschaft wichtige Dinge bereitstellten, mächtiger und einflussreicher als andere. 

Mit den Hierarchien veränderten sich auch die Machtverhältnisse. Männer waren mächtiger als Frauen und Kinder, bestimmte Berufe wichtiger als andere. Macht entwickelte sich zu einem Wert an sich. Wer Macht hatte, brauchte keine Empathie. Im Gegenteil. Empathie konnte verhindern, dass die Macht verteidigt und behalten wurde. Wer zu viel Empathie zeigte, galt schnell als schwach, konnte ausgenutzt werden und büßte im schlimmsten Fall seine Positionen ein. Die Hierarchie als solche sorgt also mit dafür, dass Empathie schwindet.

Es entwickelten sich viele Methoden, um klare Grenzen zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen zu ziehen. So zum Beispiel die Verteilung von Land, Tieren, Freiheit. Die unterschiedlichen Gesetze erlaubten es, je nach Stand, den einen, andere körperlich zu züchtigen, sexualisierte Gewalt auszuüben, zu heiraten, lesen und schreiben zu lernen, Kinder zu bekommen, Kriege zu führen, von den Steuern des Volkes zu leben, usw., während die Mehrzahl der Menschen sich dem Willen anderer unterordnen musste und heute noch muss.

Wir leben also seit tausenden von Jahren in Hierarchien, die darauf aufgebaut sind anderen empathisches Handeln zu verweigern. Wir finden diese Hierarchien überall in unserer Gesellschaft, auch in den Familien (ich könnte auch schreiben: „Bis hinunter in die Familie“, und jeder würde sofort dem Hierarchie implizierenden Satz zustimmen).

In der Familie steht ein Elternteil, meist der Vater, an oberster Stelle, die Kinder stehen auf der untersten Stufe. Wir alle haben das verinnerlicht. Wir wurden in dieses System hinein geboren, fast alle Erwachsenen um uns waren daran angepasst. Wir haben erlebt, wie es sich anfühlt, ohne Empathie behandelt zu werden, nicht gesehen zu werden; wir wurden nicht gefragt oder es wurde nicht auf uns gehört. Das geschah so oft und von so unterschiedlichen Personen, dass wir es für normal hielten (und halten). Hatten wir dann noch Erwachsene, die uns Gewalt antaten, schien emotionale Gewalt nur eine leichte Steigerung des normalen, gesellschaftlich akzeptierten Umgangs mit Menschen, insbesondere mit Kindern darzustellen.

Emotionale Gewalt sagt im Kern immer aus, das Kind sei falsch, so wie es ist. Ist ein Kind dem lange genug ausgesetzt, glaubt und verinnerlicht es diese Sicht. Je nach der Mächtigkeit des Verinnerlichten, entsteht ein sogenanntes „Täterintrojekt“. Diese Introjekte lassen das Kind die Position des Gewalttätigen einnehmen und halten es, oft bis ins Erwachsenenalter hinein, dort fest. In der Folge wird die erlebte emotionale Gewalt, in Vertretung des Aggressors, gegen sich selbst, gegen andere, selten gegen den Verursacher gerichtet. 

Das Kind erklärt sich das, gegen es selbst gerichtete Verhalten des Täters, demgegenüber es innerlich loyal sein muss, damit, dass dieser etwas in ihm sieht, das böse ist.

Damit entlastet das Kind den Aggressor, weil es ihn braucht und ihm ausgeliefert ist, und ihn retten und schützen möchte. Mit inneren Sätze, die ihm zuvor so oder ähnlich vermittelt wurden, behält das Kind die Sicht des Täters auf sich im Inneren aufrecht und hinterfragt sie nicht mehr. 

Schließlich war der Täter eine erwachsene Person, die mächtig erschien, vorgab die Welt zu verstehen und sich anscheinend sicher in ihr bewegte. Wie könnte solch göttliches Wesen nicht richtig liegen? 

Daher geht das Kind davon aus, Kontrolle über sich ausüben zu müssen, damit das „Böse“, in ihm nicht zum Vorschein kommt. Könnten dann doch alle anderen sehen, wie dunkel und schlimm es in Wirklichkeit ist. Der Täter hatte ja auch erkannt, dass es nicht liebenswert ist.

Geht vom Erwachsenen „nur“ emotionale Gewalt aus, ist es meist ein schleichender Prozess von Grenzverletzungen, der nur schwer sichtbare Spuren hinterlässt. Dies ist für Dritte wenig auffallend und kaum zu identifizieren. Während sich bei körperlicher und sexualisierter Gewalt manchmal noch aufmerksame Menschen finden, die eingreifen, leiden Kinder die emotionale Gewalt erleben, fast immer unerkannt. Auch deshalb, weil die meisten Erwachsenen selbst emotionale Gewalt erlebt haben, ohne dies für sich als Gewalt erkannt und benannt zu haben; schließlich ist emotionale Gewalt unerkannter Teil unseres Gesellschaftssystems. Beziehungsweise werden bestimmte Formen emotionaler Gewalt in manchen Bereichen der Gesellschaft oder Berufen, als notwendig erachtet: Da braucht man Biß und muss die Ellbogen einsetzten. Schließlich ist das Leben kein Ponyhof. Wer Erfolg haben will, muss wissen wie man kämpft. Es wird agitiert und manipuliert, übergangen und aus dem Rennen geworfen, fertig gemacht und nieder gekämpft.

Emotionale Gewalt findet überall dort statt, wo wir glauben, wir seien, so wie wir sind, nicht genug. Entweder üben wir sie gegen uns oder andere aus, oder wir erfahren sie durch andere. Emotionale Gewalt gehört zu unserem Alltag und kommt oft vollkommen unsichtbar daher. Für das Kind und auch für den Erwachsenen, fühlt es sich vordergründig normal an. Wären wir darin geübt unsere Tiefe wahrzunehmen, abzusteigen, nähmen wir allerdings wahr, dass dieses “normal“, kein Gefühl beinhaltet, sondern Leere ist. Eine emotionale Leere, die entstand, weil wir uns unsere authentischen Gefühle verweigerten.

Diese emotionale Leere in uns schluckt unsere Lebensfreude, unsere Lebendigkeit und Vitalität. Es wachsen Selbstzweifel, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten schwindet, während der innere Druck steigt und eine geduckte Lebenshaltung entsteht, die jeden Moment ein neues Gewitter, eine neue Strafe oder auch nur den nächsten Tadel erwartet. In der Folge geben wir die Verantwortung für unser Glück weiter ab. Statt kreativ auf das Leben zu reagieren, werden wir zu Konsumenten. Die Idee, Glück sei im Außen zu finden, verführt uns dazu zu denken wir könnten es kaufen. So erschaffen wir eine Gesellschaft ohne Glück, mit Menschen voller innerer Leere. Statt zu erkennen, dass jeder und jede genauso, wie sie ist, in Ordnung ist, laufen wir Ideen von Selbstoptimierung hinterher, die dieses wahnsinnige Rad, das wir in Bewegung gesetzt haben, weiter und weiter drehen. Wir treiben uns an, beruflich und privat, noch mehr Leistung zu erbringen. Wir jagen unsere Kinder vor uns her, immer auf der Hut vor dem Gespenst der Leistungsgesellschaft und was diese Gesellschaft angeblich von uns verlangt. Mit der Angst im Nacken, nicht mehr dazu zu gehören, wenn wir ihre Anforderungen nicht mehr erfüllen. Vollkommen egal, ob es dabei um das große Geld, die ökologische Ausrichtung, den Kleingartenverein, die Nachbarschaft oder irgend eine andere Zugehörigkeit geht. Das können wir nur erfüllen, wenn wir uns und unseren Kindern die Empathie verweigern.

Haben wir unsere Kreativität lange genug an andere abgegeben, ist es schwierig, wieder an unsere Kraft anzudocken. Dies wird meist erst möglich, wenn die Bereitschaft wächst, sich den heftigen, oft als vernichtend empfundenen Gefühlen der Kindheit zu stellen. 

Die alte Angst, die das Kind motivierte, die Sicht des Mächtigen zu übernehmen, erscheint dann wieder. Meist nicht konkret und bewusst, sondern als Schatten, der irgendwo aus den Tiefen der Gedärme aufsteigt, bedrohlich und unversöhnlich. Für die Person fühlt es sich an, als müsse genau das unter allen Umständen vermieden werden. 

Doch nur bewusstes Hinschauen, Wahrnehmen und Erkennen hilft weiter. Emotional und kognitiv. Es gilt diese alten Ängste zu durchlichten, was möglich wird, indem man sich ihnen stellt und dadurch erfährt, dass die Ängste unserer Kindheit für den Erwachsenen von heute handhabbar sind. Dass Angst nur ein Gefühl ist, das seinen Moment möchte und sich dann wandeln kann in seine ursprüngliche Essenz. Denn Angst ist, wie jedes unsere Gefühle, in der Tiefe des Seins, Lebensenergie. Pure, reine Lebensenergie, die wir genutzt haben, um das Gefühl der Angst zu formen. 

Nach der Beschäftigung mit der Angst, wird für den jetzt Erwachsenen sichtbar, dass der Vater/die Mutter seine innere Unsicherheit damals auf das Kind projizierte und versuchte, seine eigenen, als unzulänglich erlebten, Gefühle im Kind zu verändern.

Nicht die fantasierte Unzulänglichkeit des Kindes ist das Problem, sondern die, oft über Generationen weiter gegebene Unklarheit der Grenzen zwischen dem Innen des jeweiligen Erwachsenen und dem Außen des Kindes.

Trauma und transgenerationale Übertragung

„Das meiste menschliche Leid auf diesem Planeten rührt nicht von äußeren Schicksalsschlägen wie Unfällen und Naturkatastrophen her, sondern ist von Menschen selbst gemacht. Menschelhandel und Arbeit in Ausbeuterbetrieben, politische und häusliche Gewalt, Rassismus, Gewalt zwischen den Geschlechtern, Armut und Krieg – das alles hängt mit unseren Institutionen, unseren Wahrnehmungen, und unseren Narrativen zusammen. Diese Narrative sind aus Traumata entstanden und erzeugen neue Traumata.

Hierin besteht eine Verbindung zwischen wirtschaftlicher Gerechtigkeit und der Umwelt. Wir werden unsere Mitgeschöpfe weiter missbrauchen, sogar unsere eigene Mutter Erde, solange wir ungeheilte soziale Traumata mit uns herumtragen. Das bedeutet nicht, dass wir zuerst unsere Traumata heilen sollen, bevor wir versuchen, die Umwelt zu heilen. Es geht darum zu erkennen, dass soziale Heilung und ökologische Heilung zusammen gehören. Weder das eine noch das andere ist wichtiger; keines kann ohne das andere gelingen.

Nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip des Interbeing – der morphischen Resonanz – ist es leicht zu verstehen, dass eine Gesellschaft, die ihre verletzlichsten Mitglieder ausbeutet und missbraucht, auch die Natur ausbeutet und missbraucht. Wo man sich um verletzliche Menschen sorgt, entsteht ein Feld der Fürsorge, das es leichter macht, sich auch um andere verletzliche Wesen zu kümmern. Eine fürsorgliche Gesellschaft ist eine, in der es selbstverständlich ist zu fragen: “Wen haben wir vergessen? Wer leidet? Wessen Potential haben wir nicht erkannt? Wessen Bedürfnisse haben wir nicht berücksichtigt?“ Das sind Leitfragen, sowohl für eine ökologische Gesellschaft, als auch für eine gerechtere Gesellschaft.“

Charles Eisenstein, “Klima. Eine neue Perspektive.“

Gesundheit

Gesundheit

Ein Überblick auf Grund eigener Erfahrungen

Mein Weg

In meinem erwachsenen Leben hatte ich immer wieder Erkältungen. Anfangs einmal jährlich, später bis zu dreimal im Jahr. Oft war ich mindestens eine Woche, meistens bis zu drei Wochen krank. 2015/16 lies meine Energie weiter nach, ich war öfter erschöpft, joggen ging nicht mehr, gegen Ende 2016 war jeder Hundespaziergang eine Qual. Circa ein Jahrzehnt zuvor hatte ich die Diagnose „pfeiffersches Drüsenfieber“ erhalten, eine Auswirkung des Epstein-Barr-Virus. 

2016 wurde Hashimoto diagnostiziert. Die radiologische Untersuchung ergab, dass meine Schilddrüse so geschrumpft war, dass sie unmöglich genügend Hormone produzieren könne, um alle Funktionen aufrecht zu erhalten. Ich sollte das übliche Schilddrüsenmedikament einnehmen. 

Meine persönliche Erfahrung mit neuen Themen war bisher, dass es mir oft nicht gut tut, zu handeln ohne mich zuvor genau informiert zu haben. Also stellte ich die Empfehlungen des Arztes hintenan und begann alles zu Hashimoto zu lesen, was ich finden konnte. Recht bald wurde mir klar, dass es einen engen Zusammenhang zum Darm gibt. Hashimoto setzt einen leaky gut voraus. Ein Darm, der durch eine nicht artgerechte, ungesunde Lebensweise zustande kommt. Ein Hauptproblem schienen glutenhaltige Nahrungsmittel zu sein. Eine Untersuchung auf Glutenverträglichkeit ergab, dass ich eigentlich keine Probleme damit haben sollte. Allerdings wurde auch eine Weizenallergie festgestellt. Da ich seit einigen Jahren vegan lebte und Spagetti mit Tomatensoße meine Rettung im Restaurant waren, konnte ich mir zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen dauerhaft Gluten aus der Nahrung zu streichen, beschloß jedoch, es für drei bis vier Wochen zu testen.

Nach drei Wochen ging es mir besser. Viel besser. Völlegefühle und Probleme mit dem Stuhlgang waren minimiert, meine Erschöpfung ging zurück, verschwand jedoch nicht ganz, die Schilddrüsenwerte besserten sich. Ich behielt die glutenfreie Ernährung bis heute bei.

Anschließend suchte ich einen bekannten Schilddrüsenarzt auf, der mir Jod und Hormone verschrieb, was erstmal zu einer Verschlechterung führte, da er nicht mit einkalkulierte, dass es Menschen gibt, die schon auf sehr geringe Dosen Jod stark ansprechen. 

In der Folge fand ich einen Arzt  der mir nahelegte alle Vitamine und mein Mikrobiom checken zu lassen. Die Untersuchung zeigte ein Mikrobiom, das aus dem Gleichgewicht geraten war. Seit Ende 2017 bis heute hat sich vieles verbessert. 

Mein Mikrobiom ist auf einem guten Weg ins Gleichgewicht, meine Schilddrüsenwerte sind auch ohne Medikamente wieder gut, mein Jodspiegel ist prima. Ebenso sind meine Nährstoffdepots wieder aufgefüllt. 

Während meiner Suche nach den Ursachen und Hilfreichem lernte ich auch die Ideen und Bücher von Anthony William kennen. Neugierig testete ich seine Vorschläge und kann mir heute ein Leben ohne Zitronenwasser, Selleriesaft und den Heavy Metal Detox Smoothie nur schwer vorstellen. Seine Erklärungen führen in mir zu einer positiven Resonanz. Für mich sind sie hilfreich und wahr. 

Was uns krank macht

Gifte, allen voran DDT; Schwermetalle; Strahlung; Viren; Hormone.

Wir nehmen sie über unser Wasser, unsere Nahrung, die Luft und über die Haut auf. Hormone, Gifte aus der Landwirtschaft und Schwermetalle sind in unserem Trinkwasser enthalten. Wir essen sie mit, besonders bei Produkten aus der konventionellen Landwirtschaft. Krankmachende Viren tragen wir schon lange in uns, vor allem die Epstein-Barr-Viren und die Herpesviren haben recht negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Sie gedeihen gut mit Eiern in der Ernährung (sie werden auf Ei gezüchtet) und ernähren sich außerdem von Giften und Schwermetallen.

Die Strahlung aus 4G Masten können wir kaum vermeiden, mit 5G rollt etwas auf uns zu, das wir noch nicht abschätzen können. 

Hormone von ewig schwangeren Kühen nehmen wir in Milchprodukten auf, im Wasser sind riesige Mengen an Rückständen aus Medikamenten, zu Beispiel der Antibabypille, zu finden, da die Kläranlagen sie nicht ausfiltern.

Gesund werden

Damit wird schon klar, dass es Stoffe gibt, die wir vermeiden können, während das bei anderen nicht möglich ist. Wir sollten also gut darüber nachdenken, was wir tun können, damit die Stoffe, die wir nicht vermeiden können, unseren Körper wieder verlassen. 

Bei unserer Nahrung können wir darauf achten möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel aus ökologischer Landwirtschaft zu essen. Verarbeitete Lebensmittel enthalten Konservierungsstoffe und eine Menge Zusatzstoffe, die alle entweder die Leber belasten oder sich irgendwo im Körper ansammeln.

Grundlage unserer Ernährung sollten somit Obst und Gemüse aus Bioanbau sein. 

Getreide sollte nur in der Nahrung sein, wenn wir es gut vertragen. Besser wird es durch gute Kohlenhydrate, wie Kartoffeln und Süßkartoffeln ersetzt. Dazu Hirse, Amaranth, Quinoa, Buchweizen und Reis in kleinen Mengen. 

Da unsere Lebern mit dem Abbau von Giften und Schwermetallen nicht nachkommen und wir sie oft durch eine ungesunde Lebensweise zusätzlich belasten, sollten wir Fette reduzieren. Die heute oft empfohlene ketogene Ernährungsweise, bei der der Körper seine Energie zu einem großen Teil aus Fetten bezieht, ist Gift für die Leber. Langfristig hilft nur eine dauerhafte Nahrungsumstellung mit dem Schwerpunkt auf Obst und Gemüse.

Die Leber kann und sollte, über eine Fettreduktion hinaus, durch bestimmte Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungen bei ihrer Heilung unterstützt werden.

Das Darmmilieu muss meistens angesäuert werden. Das funktioniert mit Milchsäure gut, es gibt jedoch auch vegane Alternativen. Im Anschluss, bzw. gleichzeitig, müssen die Bakterienstämme durch Prä- und Probiotika unterstützt werden, die für unsere Verdauung wichtig sind. 

Unsere Nährstoffdepots sollten aufgefüllt und dauerhaft gefüllt sein. 

Die Schwermetalle, die sich im Gehirn und in vielen anderen Organen unseres Körpers angesammelt haben und im Laufe der Zeit chronische Erkrankungen auslösen, sollten gelöst und gebunden werden. 

Nach Anthony sind dabei Spirulina, Gerstengrassaft und Dulse hilfreich. Je nach Lehre findet man noch viele weitere Möglichkeiten der Entgiftung. Wichtig ist dabei immer für eine gute Bindung der gelösten Stoffe im Körper zu sorgen und das Lymphsystem beim Abtransport zu unterstützen. Hier greifen zum Beispiel homöopathische Komplexmitteln sehr gut.

Von Koriander ist bekannt, dass er Schwermetalle im Gehirn lösen kann, da er die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Um die Bindung im Darm zu unterstützen ist Zeolith hilfreich. Es hilft auch beim erneuten Aufbau der Darmschleimhaut. 

Da wir uns nicht davor schützen können Gifte und Schwermetalle täglich erneut aufzunehmen, sollten wir eine dauerhafte Entgiftung des Körpers in unsere Lebensweise integrieren. Bei Anthony William finden wir dazu den Schwermetall Entgiftung Smoothie.

Je jünger wir sind, wenn wir beginnen unseren Körper, den Tempel unserer Seele, in seiner wichtigen Funktion wahrzunehmen, umso schneller zeigen sich positive Wirkungen. Haben wir über Jahrzehnte ungesund und unbewusst gelebt, kann es dauern, bis sich stabile Ergebnisse zeigen. 

Fazit

Solange wir auf unsere Schulmedizin schauen und vielleicht die eine oder andere alternative Methode einbauen, kann sich nur punktuell etwas ändern. 

Unser Gesundheitsverständnis beruhte bisher auf einer funktionelle Sicht auf den Körper. Es musste identifiziert werden, was nicht mehr funktioniert und das sollte dann repariert werden. Solange wir unsere Körper als Maschinen auffassen und beschreiben, suchen wir nach klaren Ursache-, Wirkungsprinzipien. Tut ein Gelenk weh, wird es ausgetauscht, ist der Blutdruck hoch, muss er gesenkt werden, was auch immer nicht so läuft, wie wir es möchten, wird repariert ohne die Ursachen zu erkunden oder die Zusammenhänge klar zu haben. 

In diesem Sinne fällt es uns ja schon schwer, Körper und Psyche als Einheit zu erleben und die Auswirkungen, zum Beispiel von Angst und Schrecken, auf unseren Körper zu akzeptieren. Nur sehr langsam erkennen wir, dass  es unserem Körper gut tut, wenn wir Stress reduzieren, einen guten Schlaf haben und uns viel an der frischen Luft bewegen. 

Letztlich werden wir sehen, dass unser Körper die Spiegelung unseres Lebens ist. Und umgekehrt wirkt sich unser Umgang mit uns auf die Welt aus. Wie positiv wäre es für Mutter Erde, wenn wir unseren Körpern kein Gift mehr zuführen möchten und daher keine Gifte mehr in die Umwelt einbringen? Wenn wir keine schnellen Lösungen mehr suchen, sondern nach den Ursachen forschen, feststellen, dass Freude und Glück, Gemeinschaft und ein liebevoller Umgang mit uns und anderen, uns und die Welt gesund erhalten?

Wie Charles Eisenstein sagt, läuft es immer wieder darauf hinaus, welche Geschichte wir uns erzählen. Sprechen wir von der Geschichte der Verbundenheit, werden wir die Verbindungen erkennen.Wir sollten aufhören die Welt und uns in immer kleiner Teile zerlegen zu wollen, mit der Idee, wenn wir nur endlich wissen wie etwas funktioniert, könnten wir es heilen. Wir werden nie alles erkennen können. Etwas wird immer fehlen. Da werden immer Zusammenhänge sein, die wir nicht sehen. Nehmen wir zu den einzelnen Teilen, die wir jetzt ja kennen, das Ganze dazu. Das große Ganze. Unser Eingebundenensein in soziale Gemeinschaften, unsere Zufriedenheit, bzw. Unzufriedenheit. Unser Glück über Sonnenuntergänge, Blumen und Insekten, usw. All das wirkt. Hat Auswirkungen. Fangen wir endlich an größer zu denken!

Gesundheit

Dissoziation

Wir Menschen der westlichen Welt, wahrscheinlich auch in vielen anderen Teilen der Welt, haben uns von unseren Gefühlen getrennt. Hätten wir das nicht getan, könnten wir den Ansturm von Schmerz und Trauer nicht ertragen, den jeder Spaziergang in der Natur, jeder Nachmittag in der Stadt, jede Fahrt mit dem Zug, ja fast jede Begegnung mit unserer Mitwelt, in uns auslösen würde. Aber auch der Großteil der Erinnerungen an unsere Kindheit, an Lob und Tadel, an die endlosen Stunden im Unterricht, als es verboten war aufzustehen, umherzugehen, zu lachen, in Kontakt mit anderen zu kommen. Unsere Eltern, die uns, meist in bester Absicht, aber doch, manipuliert haben, weil sie ihre Ängste auf uns projizierten, diese Ängste, dass wir nicht angepasst an eine machtvolle Gesellschaft aufwüchsen, bestimmte Schulabschlüsse nicht erreichen würden oder irgendwie anders wären.

Damit du verstehst, was ich meine, einige Beispiele. Du machst einen Spaziergang durch die Monokulturen der Weinberge oder Felder und begegnest einem Traktor, der hektarweise Gift verspritzt. Oder du wanderst auf einem Waldweg, den du vor Monaten zuletzt gegangen bist. Die Wege sind von schwerem Gerät umgegraben, mehr als die Hälfte der Bäume ist nur noch „Holz“ am Wegrand. Das Dach des Waldes, das eigentlich geschlossen sein sollte, besteht nur noch aus vereinzelten kleineren Kronen junger Bäume. Du fährst morgens um 7 Uhr mit dem Zug in die Stadt. Die Menschen sehen dich und einander nicht an. Ihre Gesichter drücken Gleichgültigkeit und Desinteresse aus. Viele sind mit ihren Handys beschäftigt. Beim Shopping siehst du eine junge Mutter, die ihren Dreijährigen hinter sich herschleppt. Eine andere schiebt den Kinderwagen, während sie telefoniert. Am Rand der Fußgängerzone sitzt ein Bettler. Wir alle kennen solche Szenen, ohne ihnen eine größere Bedeutung beizumessen. Wieso ist das so? Wieso erstarren wir nicht? Wieso rufen solche Szenen kein Erschrecken und Entsetzen in uns hervor? Wo ist unser Gefühl? Wie kann es sein, dass wir nichts fühlen? Wo ist unsere Betroffenheit über die zerstörte Natur? Unser Mitgefühl für die Kinder, den Bettler, die Mütter? Unsere Traurigkeit über die Leere in den Gesichtern? Wieso dissoziieren wir unsere Gefühle? 

Weil es uns so beigebracht wurde. Unsere Erwachsenen haben uns gezeigt, wie der Umgang mit anderen auszusehen hat. 

Kleine Kinder sind vollkommen offen. In ihnen ist noch nicht festgelegt, wie sie auf die Welt reagieren. Diese Offenheit unseres Gehirns, seine grundsätzliche Bereitschaft zu lernen, sich anzupassen, einem Modell zu folgen, hat den Menschen befähigt, all das zu tun, was wir heute sehen. Bist du jemals mit einer Dreijährigen unterwegs gewesen? Sie wird alles erforschen. Blumen, Steine, weggeworfenes Papier, was auch immer ihren Blick fängt. Und sie wird es nicht nur genau untersuchen, sondern sich auch an dich wenden. Mit Fragen, Blicken, sie wird jede deiner Reaktionen genau beobachten und aufnehmen. Wenn du den Regenwurm, der sich nach dem Regen hilflos im Rinnstein windet, als belanglos abtust, wird dies eine andere Wirkung auf sie haben, als dein emphatisches Eingehen auf seine missliche Situation und die Hilfe, die du ihm gibst, wenn du ihn auf den Grünstreifen setzt. Zeigst du in solchen Situationen keine Gefühle, lernt sie, selbst zu dissoziieren. Sie wird deine abgeschalteten Gefühle imitieren. Gibst du ihr dazu noch eine kognitive Erklärung, alla „so ist das halt nach dem Regen. Sie werden nach oben geschwemmt und liegen dann auf der Straße. Komm lass uns weiter gehen.“, wird sie genau dieses Muster übernehmen und irgendwann selbst nach kognitiven Erklärungen suchen, um ihre Erlebnisse einzusortieren und ihre Gefühle ignorieren.

Genauso wachsen wir auf. Wir lernen unsere Gefühle auszuschalten und nehmen uns damit eine enorme Fähigkeit für Glück und Freude. Ohne Dissoziation gäbe es keine Vergiftung unserer Welt, es gäbe keinen Hunger, keine unpersönlichen Städte mit Plattenbauten, keine Schulen in denen wir unsere Kinder den Grausamkeiten anderer Kinder ausliefern. Stattdessen wären wir darauf bedacht, dass alle Wesen glücklich sind. 

Im vorkolonialen Afrika war das Prinzip des Ubuntu verbreitet. Ein Missionar besuchte ein afrikanisches Dorf. Er stellte einen Korb mit Früchten unter einen Baum und erklärte den Kindern, die sich um ihn versammelt hatten, dass der ganze Korb, mit allen Früchten, dem Kind gehören solle, dass bei einem Wettrennen gewinne. Er zog eine Startlinie in den Sand und die Kinder stellten sich dahinter auf. Als er in die Hände klatschte, erwartete er, dass alle losrennen würden, um die Früchte zu gewinnen. Doch die Kinder taten etwas anderes. Sie reagierten auf das Klatschen, indem sich alle bei den Händen fassten und langsam gemeinsam zu dem Korb gingen. Auf die Frage des Missionars, wieso sie so handeln würden, antworteten sie mit einer Gegenfrage: Wie könne sich ein Kind freuen, wenn die anderen traurig seien?

Ubuntu täte uns allen gut. Und der Weg dorthin heißt Mitgefühl. 

Wir können Mitgefühl in uns wachrufen, indem wir anerkennen wann und in welchen Situationen wir dissoziieren. Und indem wir die Traurigkeit darüber zulassen. Das bringt Mitgefühl in uns, für uns hervor. Und wir können emotional offen durch die Welt gehen, statt unsere Gefühle abzuschotten. Wir können uns berühren lassen. Von der Welt, von Menschen, Situationen, Schicksalen. Wir können uns beobachten und allzu schnelle kognitive Erklärungen unseres Verstandes emotional neu einschätzen. 

Wir können auch noch einen Schritt über das Mitgefühl hinaus gehen zum Mitgespür. Damit meine ich eine Offenheit, die es uns erlaubt, tatsächlich zu spüren, was das Gegenüber fühlt und in uns eine emotionale Reaktion zuzulassen. Das können zum Beispiel Tränen der Freude oder Verbundenheit sein, die wir zeigen und fließen lassen. Im Unterschied zum Mitleid, werden wir dabei nicht vom Leid des anderen absorbiert. Wir bleiben bei uns, in unserer Kraft und Stärke, in unserem Licht und erlauben uns von diesem kraftvollen Ort aus, alle Gefühle zuzulassen, die sich nun in uns zeigen, weil wir mit dem Anderen tief verbunden sind.

Wir alle sind Natur

„Eine Pflanze, so dachte ich auf der Waldwiese, ist nicht allein das aktuelle Resultat aller Einflüsse, die auf sie eingewirkt haben – in ihr sind all diese Erfahrungen noch Gegenwart. Wenn neue Borke um eine Verletzung wächst, die der achtlos eingepflockte Stacheldraht geschlagen hat, dann zeigt sich am Ende vor allem eines: wie die Pflanze mit dieser Wunde weiterleben konnte. Lebewesen bilden Narben um ihre Verletzungen und konservieren damit in der Heilung den Schmerz des Zusammenstoßes. Sie umschließen die Vergangenheit wie einen Kern. Ihre Körper sind diese Vergangenheit. In ihnen gewinnt etwas Nichtstoffliches eine Form.

Wenn sich die Physik des Lebens nur in den Begriffen des Seelischen umfassend genug ausdrücken lässt, dann müssen sich dessen Spuren auch als physikalische Realität zeigen. Wenn die Erscheinungsform der Wesen die Subjektivität ist und erst deren Bedürfnisse die Stoffströme durch eine Zelle regeln, dann muss der Stoff eines Wesens folgerichtig diese Subjektivität zum Ausdruck bringen und somit geradezu Seele darstellen. Sollte sich eine solche Idee bewahrheiten, wäre die Natur keine stumme Kulisse mehr, sondern durchflutet von Ausdruckskraft. Dann wäre das Empfinden der Wesen in deren körperlicher Gegenwart zugänglich.

Das heißt freilich nicht, dass andere Organismen unsere Gefühle teilen und ausdrücken. Das zu glauben wäre naiv. Mit “Seele“ meine ich weder die christliche Vorstellung, Ebenbild des Schöpfers zu sein, noch das Unbewusste der Psychologen im Gefolge von Sigmund Freud. “Seele“ heißt, dass etwas den Organismus zusammen hält, was nicht allein den Anziehungs- und Abstoßungskräften der Atome entspringt, sondern der Sorge um seine Fortexistenz. “Seele“heißt Betroffenheit – und genau deren Empfindung ist uns bekannt. “Seele“ heißt Innerlichkeit, und es ist diese, die wir mit den anderen Wesen gemeinsam haben, in wie geringem Maße auch immer. Gewiss ist fremde Innerlichkeit nicht von den menschlichen Begriffen und Gefühlen wie Erfolg und Verlust, Trauer und Triumpf durchdrungen. Was wir aber mit anderen Wesen teilen, ist das Bangen um die Existenz, das den Kern jedes “autonomen Akteurs“ ausmacht. Worin wir ihnen gleichen, ist die verletzliche Außenseite, in der sich diese Innerlichkeit ausdrückt.“

Andreas Weber, “Alles fühlt“

poem

Man kann doch die Blättchen und Blütenköpfchen nicht sehen, ohne zu wissen:
Man ist ihnen verwandt …
Der Frühling sagt so laut, dass auch wir Frühlinge sind.
Denn das ist der Grund unseres Entzückens an ihm.

Lou Andreas-Salome

		
				
								
	
Wir alle sind Natur

Die größte Bedrohung für das Leben auf der Erde sind nicht die Emissionen der fossilen Brennstoffe, sondern der Verlust von Wäldern, Boden, Feuchtgebieten und marinen Ökosystemen. Das Leben erhält das Leben. Wenn diese Beziehungen zusammenbrechen, sind die Ergebnisse unvorhersehbar … dies ist eine Bedrohung, der wir ausgesetzt sind, und da sie von vielen Faktoren abhängt, die noch dazu nicht-linear sind, kann sie nicht durch einfache Reduzierung der CO2-Emissionen überwunden werden.

Charles Eisenstein, “Klima. Eine neue Perspektive.“