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Moe

Zeitenwende

Pharmatheater

Diagnosen sind der Versuch die Fülle des Lebens auf die Größe eines Tennisballs zu schrumpfen, um Kontrolle darüber zu erlangen.

Dabei geht das Wissen verloren, dass wir ganzheitliche Wesen sind und Heilung ein ganzheitliches Geschehen darstellt. 

Die Detailversessenheit der Medizin entwürdigt und bevormundet Menschen, um sie in Angst und Abhängigkeit zu führen. Da dies eingebettet in ein medizinisches und gesellschaftliches System geschieht, braucht der einzelne Arzt Klarheit und Reflexionsfähigkeit, um die Kulisse als Teil eines Theaterstücks zu begreifen, in dem ihm eine bestimmte Rolle zugedacht wurde. 

Dieses Krebsgeschwür wächst inzwischen nicht nur in den ärztliche und therapeutischen Praxen jeder Couleur, es hat in Familien und Individuen metastasiert und droht die Vielfalt des Lebens zu überwuchern und in einen Einheitsbrei zu verwandeln, der gut in die Pipeline der Pharmaindustrie geleitet und dort – gegen entsprechendes Geld – verarbeitet werden kann.

Aktuell übernimmt die Pharma die totale Geburtenkontrolle. Es wird kaisergeschnitten bis die Skalpelle klingen. Die Hebammen, die weisen Frauen der Geburt, die mit einer kleinen Drehung hier und einer Massage dort und mit einem enorme Wissen Frauen über Jahrhunderte das zusprachen, was, wie wir inzwischen wissen, für eine spontane und leichte Geburt unabdingbar ist, nämlich Mut, Kraft, Stärke, Ruhe und Vertrauen, werden aus ihrem Beruf gedrängt. Übernommen wird von überforderten Ärztlein, für die jeder Millimeter, der nicht nach fantasiertem Plan läuft, ein Auslöser darstellt ihr Lieblingsinstrument zu zücken, um das Kind aus dem Bauch zu schneiden. 

Dass dies nur der erste Akt des Dramas ist, wissen wir. Es läuft von der Wiege bis zur Bahre …

Spätestens im dritten Lebensjahr beginnen die psychischen Diagnosen. ADS, ADHS, Autismusspektrumstörungen sind nur die häufigsten, mit denen Kindern bescheinigt wird, dass sie nicht in Ordnung sind, so wie sie sind. Auch hier wird jede kleine Abweichung von der gewollten Norm als krank gelabelt. Schließlich sind es die Kinder, die sich in die Strukturen einpassen sollen, nicht die Enge der Strukturen, die für Fülle und Diversität des Lebens geändert werden muss.

Währenddessen lassen sich die Erwachsenen in Angst halten, haben das Gehirn eh schon an der Garderobe des Theaters abgegeben und katzbuckeln ergeben vor den stolz schwadronierenden Experten auf der Bühne. 

Der Lichtblick? „Der Baum, der fällt, macht mehr Krach, als der Wald, der wächst.“, sagt ein tibetisches Sprichwort. Das Leben wächst in jeder Ecke, Lücke und Nische, die es findet. Und es lässt keine Einseitigkeit zu. Nicht auf Dauer. Und so nährt es die Menschen, die Liebe, Achtsamkeit , Mitgefühl und Wärme in die Welt geben. Und es sind viele. Um sie zu hören müssen wir uns vom Getöse des Rampenlichts abwenden, unseren Blick und unsere Ohren für das Feine schulen und unserer Intuition erlauben uns dorthin zu geleiten, wo wir sie finden. Das kann auch das eigene Innere sein.

Trauma und transgenerationale Übertragung

Beziehung statt Erziehung

Wir haben nur eine Zukunft und das sind unsere Kinder. 

Ein afrikanisches Sprichwort besagt, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen. Auch wenn das sicher optimal wäre, die meisten Kinder haben das nicht. Stattdessen finden Eltern in jeder Buchhandlung eine unüberschaubare Anzahl an sogenannten Erziehungsratgebern. Darin sind tausend Möglichkeiten und ihr Gegenteil in der Kindererziehung beschrieben und mit nachvollziehbaren Argumenten belegt. Für jeden findet sich etwas, jedes Elternteil bekommt seine Voreinstellungen belegt und untermauert, was einzelne erfreut, in der Summe jedoch keine Richtung vorgibt. Eher hilft es bei der transgenerationalen Weitergabe der eigenen Traumata und Dissoziationen. Solange Eltern glauben ihre Kinder erziehen zu müssen, werden sie ihre eigentliche Aufgabe, nämlich ihren Kindern eine tragfähige und verlässliche Beziehung anzubieten, nicht erfüllen können. 

Zeitenwende

Es ist eine alte, noch aus der Antike herrührende Einsicht, dass Staatsformen, die auf der Gleichheit ihrer Bürger beruhen in besonders großer Gefahr stehen, in Tyranneien umzuschlagen. (…) Die Grunderfahrung menschlichen Zusammenseins, die in totalitärer Herrschaft politisch realisiert wird, ist die Erfahrung der Verlassenheit. (…) Was moderne Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen jagt und sie so gut vorbereitet für die totalitäre Herrschaft, ist die allenthalben zunehmende Verlassenheit. Es ist, als breche alles, was Menschen miteinander verbindet, in der Krise zusammen, so dass jeder von jedem verlassen und auf nichts mehr Verlass ist.

Hannah Arendt

Ich - Du - Wir

Innana und Ereschkigal

Kinder brauchen starke und liebevolle Eltern. Das macht sie stark und liebevoll.

Da wir jedoch in einer Welt leben, die wir seit tausenden Jahren mit Krieg, Hass und Gewalt überziehen, haben wir alle mehr oder weniger traumatisierte Eltern. In der langen Reihe unserer Ahnen wurde die Nicht-Liebe von Generation zu Generation weitergegeben. Was man nicht hat, kann man nicht geben. 

Unsere Kultur verlangt von uns eine andere, ja konträre Haltung. Elternliebe, Mutterliebe, Vaterliebe darf nicht nicht sein. Sie wird quasi als naturgegeben angesehen. Sie ist verklärt, romantisiert und fern jeder Realität. 

Wie Arno Gruen in seinen Büchern eindrucksvoll darlegt, werden wir alle mit Gleichgültigkeit, Abwertung, Hass in der Maske der Liebe gefüttert. Lesen wir einen solchen Satz, sträubt sich alles in uns. Wir sind sicher, das mag vielleicht bei anderen oder in früheren Zeiten zugetroffen haben, aber nicht bei uns. Schließlich erinnern wir uns an Spiele mit Mutter oder Vater, an lächelnde Gesichter, in denen wir Liebe zu erkennen glaubten. Zum Glück hatten die meisten von uns auch diese Momente in ihrer Kindheit. Kinder, die nichts davon haben, sterben. Da wir da sind, da wir unsere Kindheit überlebt haben, hatten wir solche Momente, die unser Herz nährten. 

Das Drama fand in größerer Tiefe statt. Die Kälte in unseren Eltern spürten wir täglich. Im Nicht-Beachtet-Werden unserer Bedürfnisse, in Nebensätzen, wie „das ist doch nicht so schlimm“, „stell dich nicht so an“, usw. Darin, dass unsere Eltern uns nicht mit Neugier auf unser Sosein betrachteten, sondern ein Projekt aus uns machten. Darin, dass sie uns mit Dingen überhäuften, die wir nicht brauchten, uns aber Zeit, Zuwendung, Nachsicht und Verständnis verweigerten. 

Nichts von alledem taten sie bewusst böswillig. Sie taten es, weil alle es so machten, weil es ihnen von der Gesellschaft, von Pädagogen, von Ärzten, ihren Eltern, Freunden und anderen wohlmeinenden Menschen so vermittelt wurde. Sie taten es, weil sie mit ihren inneren Unzulänglichkeiten beschäftigt waren, die sie irgendwie im Außen kompensieren mussten. Oder weil sie dem Glauben aufgesessen waren, wie wichtig Materielles sei und die Kinder mussten da halt zurück stecken. Dafür konnte man dann zweimal jährlich in Urlaub fliegen, ein besonderes Auto fahren oder was auch immer. 

Bestehen bleibt, dass wir nicht die Liebe erhielten, die unser Geburtsrecht ist. Und das war unerträglich. Kinder können es nicht ertragen, dass Eltern sie nicht wirklich wirklich lieben. Also taten wir, was wir tun mussten, um diese Misere zu lösen. Wir taten, was auch schon unsere Eltern und deren Eltern und so viele Eltern zuvor getan hatten. Wir nahmen die Schuld auf uns. Wenn sie uns nicht lieben konnten, dann weil wir aus irgend einem Grund nicht liebenswert waren. Vielleicht lag es an unserem Verhalten, an unserem Aussehen, vielleicht waren wir auch von Grund auf falsch. 

Die andere Möglichkeit, die wir hatten, war, die ungeliebten Anteile statt zu uns zu nehmen, auf einen Feind im Außen zu projizieren. Dieser Weg brachte uns in die perfekte Anpassung an Eltern, Gesellschaft und Kultur. Denn in unserer Kultur werden diejenigen in Geschichtsbüchern erwähnt, die durch „viel Feind, viel Ehr“ „Großes“ erreichten. Dabei fällt uns nicht auf, dass dieses Große immer durch Spaltung in „wir“ und „die Anderen“ und deren Niederwerfung errungen wird. Wie auch? Unsere Gesellschaftsspiele, unsere Sportveranstaltungen, Schule, Ausbildung, Beruf beruhen auf Konkurrenz. Wir sind darauf programmiert unsere Energie nach außen zu richten. Was wir auch gerne tun, da im Inneren unsere Dämonen lauern. Dort irgendwo ist der Schmerz unserer Kindheit verborgen, dass wir nicht geliebt wurden. Also passen wir uns weiter an die Gesellschaft an, kämpfen gegen einen Feind im Außen und gaukeln uns vor, wir wüssten was Liebe sei.

Jeder von uns kann jederzeit diese endlose transgenerationale Weitergabe von Unglück unterbrechen. Es braucht Mut, sicher. Den Mut uns unserem Inneren zuzuwenden. Wie Innana in die Tiefe hinabzusteigen, um unsere dunkle Schwester zu besuchen. Wenn wir dort bei Ereschkigal ankommen, nackt und auf Knien, müssen wir sterben. Unser Ich, wie wir es bisher kannten muss sterben, um die Oberfläche wieder sehen zu dürfen. Und danach müssen wir uns wiederholende Rituale schaffen, die uns wieder und wieder in die Tiefe führen, um unserem Leben eine Balance zu geben, die Schmerzen anerkennt, statt sie zurückzuweisen. Erst dann haben wir wahre Lebendigkeit, ein wahres Leben gewonnen. Dann können wir, aus unserem Bewusstsein für den Schmerz heraus, unseren Eltern und Ahnen vergeben. Und unsere Kinder erkennen, als die, die sie wirklich sind. Wir können sie in Liebe betrachten ohne unseren Schmerz zu verleugnen.

Zeitenwende

„Wir leben in einer Epoche des Totentanzes, für die der Nationalsozialismus nur das Vorspiel war.“

Erich Neumann (deutsch-israelischer Psychoanalytiker)

Mikroskop

Wenn du nichts mehr erreichen willst, fällst du auf das zurück, was du in Wahrheit bist.

Trauma und transgenerationale Übertragung

Beim Heilwerden geht es darum,
unsere Herzen zu öffnen,
nicht sie zu verschließen.
Es geht darum, die Stellen in uns,
die die Liebe nicht einlassen wollen,
weich zu machen.

Heilung ist ein Prozeß.
Beim Heilwerden schaukeln wir hin und her
zwischen den Mißhandlungen der Vergangenheit
und der Fülle der Gegenwart und
bleiben immer öfter in der Gegenwart,
Es ist das Schaukeln, das die Heilung bewirkt
nicht das Stehenbleiben an einer der beiden Stellen.

Der Sinn des Heilwerdens ist nicht
für immer glücklich zu werden,
das ist unmöglich.
Der Sinn der Heilung ist,
wach zu sein und sein Leben zu leben,
nicht bei lebendigem Leibe zu sterben.
Heilung hängt damit zusammen,
gleichzeitig ganz und zerbrochen zu sein.


 
Geneen Roth

Ich - Du - Wir

PlastikLeben in einer PlastikWelt – Teil III – Bewusstwerdung

Wir brauchen nicht viel. Fast gar nichts. Alles ist in uns. Wir wurden mit allem ausgestattet geboren. Und nichts ging verloren. Manches wurde weggedrückt, anderes hat sich versteckt. Teilweise konnte sich Zusammengehörendes noch nicht finden, weil da keine Entwicklung war. In uns wartet ein Schatz darauf, ins Bewusstsein zu kommen. Wieso klingt das so neu? Nun, es ist in uns. Es ist wir. Also wissen wir davon. Dass es uns so schwer fällt dazu bewusst zu werden, liegt an unserem Denken. 

Im Laufe unserer Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen wurden wir kompromittiert. Dies geschah über die Menschen um uns, die es meist in bester Absicht taten. Die Sozialisation griff. Wir lernten uns von unserem Körper zurückzuziehen. Von unserem Kopf – von da oben – sahen und sehen wir auf den Körper herab. Wir glaubten dort die animalische Natur unseres Wesens zu erkennen und waren sicher sie überwinden zu müssen, um … . Je nach Ansatz ging es bei diesem „um …“, um intellektuelle Vergeistigung, oder wir vermuteten Gott irgendwo da oben und wollten ihm näher sein. Egal was unsere Begründung war, immer mussten wir den Körper abwerten. In ihm vermuteten wir Triebe, Gefühle, Leidenschaften, unsere wilde ungezähmte Natur. Er machte uns verletzlich, dort waren die Schmerzen zu Hause. Die physischen, aber vor allem die emotionalen. Wir glaubten durch unseren Rückzug in den Verstand so viel zu gewinnen und verloren dabei uns und unsere Menschlichkeit. Wir verloren unsere Empathie und unsere Liebesfähigkeit. Weil wir dem Schmerz auswichen, konnten wir auch die Schmerzen anderer nicht mehr nachempfinden. Wir waren nicht mehr berührbar. Wir zerstörten die Welt um uns. Wir machten sie uns untertan. Grausam und als Folterknechte. Und ohne Erbarmen. Gefühle ersetzten wir durch Drama. Liebe durch Romantik, die Tiere, denen wir jeglichen Lebensraum versagten stellen wir uns als lächelnde Plastikversionen an die Haustür. Das beschwichtigt diese bohrende Sehnsucht in uns kurz. 

Wir haben uns die Welt aus Plastik neu erschaffen und leiden ohne Leidenschaft. Statt auf Lebendigkeit setzen wir auf Sicherheit. Wir fühlen keinen Schmerz mehr, aber auch keine Freude. Dafür schmerzt unser Körper, missbraucht durch zu viel Essen, zu wenig Essen, zu wenig Bewegung, zu viel Bewegung. Wir muten ihm zu, was wir denken was gut sei. Wir spüren seine wahren Bedürfnisse nicht mehr. Auch wenn er immer wieder anklopft, wir hören nicht hin. Unser Denken hat die Kontrolle übernommen und denkt sich aus, was alles für uns gut sei. Vollkommen vom pulsierenden Leben in unseren Adern abgeschnitten. Ohne Kontakt zur Natur, den Elementen, weist es jede Verbindung zurück. Unser Denken ist sich selbst genug. 

Solange wir nicht bereit sind diese elementaren Wahrheiten anzuerkennen, werden wir dem Plastikwahn nicht entkommen. Wir sehnen uns nach menschlicher Nähe und Zuwendung. Nach der Berührung warmer Haut. Nach Augen, die uns in Liebe ansehen. Nach Lachen und Gemeinschaft. All das ist erreichbar. Im nächsten Moment sogar. Wir müssen nur eine Entscheidung treffen. Ist uns erst klar, was wir wirklich suchen, was unsere tiefste Sehnsucht ist, können wir uns entscheiden ein echtes Leben zu leben. Ein Leben in dem Wärme, Kreativität, Freude, Miteinander und Liebe im Mittelpunkt stehen. Alles was wir dafür hinter uns lassen müssen, ist der falsche Ersatz. Und diese Entscheidung trifft jeder für sich allein.

Nennt ihr das Seele, was so zage zirpt
in euch? Was, wie der Klang der Narrenschellen,
um Beifall bettelt und um Würde wirbt,
und endlich arm ein armes Sterben stirbt
im Weihrauchabend gotischer Kapellen, –
nennt ihr das Seele?

Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit,
in der die Welten weite Wege reisen,
mir ist: ich trage ein Stück Ewigkeit
in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit
und will hinauf und will mit ihnen kreisen …
Und das ist Seele.

Rainer Maria Rilke

Ich - Du - Wir

Ein PlastikLeben in einer PlastikWelt – Teil II

Wir sollten uns endlich wach atmen. Denken funktioniert nur mit ausreichend Sauerstoff. Wer immer nur flach und oberflächlich Luft gerade mal ins obere Drittel der Lunge holt, dessen Gehirn und gesamter Körper kann nur Schmalspurleistungen erbringen. Sauerstoff verbindet uns mit dem Leben. Er ist Leben. 

Wir brauchen die Verbindung in uns. Sind Kopf, Herz und Bauch gut verbunden, sind wir mit uns in Kontakt. Wir spüren unseren Körper, unsere Sehnsucht, unsere Abneigung. Spüren wir uns, können wir auch andere spüren. Wir erkennen, ob unser Gegenüber authentisch ist, ob wir der Wahrheit oder der Lüge begegnen. Sind wir mit unserem Körper in Kontakt, kann uns niemand manipulieren.

Die Welt wird sich verändern, je mehr Menschen den Mut finden, sich ihren inneren Dämonen zu stellen, denn wir haben nie Angst vor den Dämonen da draußen, sondern vor denen in uns. 

Wir alle haben einen Sozialisationsprozess hinter uns. Das wissen wir. Aber wir wissen nicht, was wir damit meinen. Ein kleiner Auszug aus Wikipedia: „Sozialisation ist demnach die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Internalisation (Verinnerlichung) von sozialen Normen.“ Sozialisation zielt also auf eine Anpassungsleistung. Wir definieren also uns, in Gestalt unserer Kinder, als nicht in Ordnung, so wie wir sind. Wir sehen uns als Wesen, die geformt werden müssen, um gut in Gemeinschaft zu leben. 

Interessant dabei ist, dass dies schon seit Beginn pädagogischer Ideen und daraus abgeleiteter Erziehungsmassnahmen so gesehen wird. Dass der Ansatz nicht hält was erwartet wird, ist offensichtlich. Streit, Kriege, Feindschaften sind damit nicht verschwunden. Im Gegenteil. Mit den Waffen, die inzwischen existieren, könnten wir die gesamte Menschheit mehrmals auslöschen. Wieso erkennen wir nicht, wie sehr unser Erziehungsansatz ins Leere läuft? Oder ist er sogar der ursächliche Grund für Leid, für unsere Entfremdung von uns und unserer Mitwelt?

Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sie verbunden. Mit sich, mit der Welt, mit ihrer Mutter, in deren Körper sie neun Monate heranwuchsen. Sie sind vollkommen offen, wahrhaftig und voller Liebe. Es gibt an ihnen nichts zu verbessern. Wie sollte es auch? Wieso sehen wir das nicht? Nach Arno Gruen (Arno Gruen, „Der Fremde in uns“) können wir es nicht sehen, weil wir der gleichen Prozedur ausgesetzt waren, der wir jetzt unsere Kinder unterziehen. Wir wurden als Kinder zu Objekten degradiert (er nennt es: zum Opfer gemacht), und als ‚nicht-okay‘ gelabelt. 

Um die Zuwendung unserer Eltern zu uns zu erhalten, mussten wir die Teile, die sie an uns nicht wollten, abspalten. Seit wir sie in uns nicht mehr ertragen wollen, erleben wir sie im Außen. Wir sehen sie in anderen Menschen, in Tieren, in der Natur. Unser kreatives Chaos wird zur zwanghaften Ordnung der Monokulturen, zu grünen Rasenwüsten, zu steinigen Vorgärten, giftverseuchten Flüssen und Böden. Unsere Wut richtet sich auf die Tiere in Ställen und Schlachthäusern, denen wir jegliche Empfindungsfähigkeit, jedes Recht auf Freude und Freiheit absprechen. Wir sehen uns in ihnen durch die Augen unserer ersten Bezugspersonen als klein, unvollkommen, als das Objekt, das sie in uns nicht ertragen konnten. Und dann glauben wir noch, uns etwas Gutes zu tun, wenn wir ihr mit Hormonen, Medikamenten und Adrenalin verseuchtes Angstfleisch verschlingen – nein, Biohaltung macht es auch nicht besser! Stattdessen holen wir uns winzige Hündchen in die Wohnung, statten sie mit Mäntelchen und Schmuck aus, um sie dann, ganz Ausdruck unserer großen Liebe, mit Leckerlis, Törtchen und mehr, dick zu füttern, während wir unsere „Liebsten“ anschließend für teueres Geld zum Tierarzt bringen, der die Zivilisationskrankheiten der Tiere mit den wunderbaren Errungenschaften der tiermedizinischen Pharmaindustrie wieder ins Lot bringen soll. Dabei haben wir Gefühle von Selbstmitleid. Schließlich ist ja unser Liebling krank „wie soll ich ohne ihn leben“ und „teuer ist es!“. Mit Liebe hat das alles nichts zu tun. Es befriedigt im besten Fall romantische Dramagefühle, die wir an die Stelle echter Gefühle gesetzt haben. Im wahrscheinlicheren Fall lässt es uns innerlich immer leerer und starrer werden. So wie wir heute die Welt um uns, andere Menschen, letztlich uns selbst behandelt, so wurden wir behandelt. Da ist keine Willkür und kein Zufall. Wir wiederholen nur das, was uns angetan wurde.

Da stehen wir jetzt. Haben alle Gefühle, die unsere Eltern nicht bei uns ertragen konnten (da sie sie selbst abspalten mussten), nach außen projiziert und bekämpfen sie dort mit aller Macht. Genau hier ist unser Ausgangspunkt. Solange wir das nicht erkennen können, geht es nicht weiter. Wie sollen wir wissen wohin der nächste Schritt führt, wenn wir nicht wissen wo wir sind?

Daher bleiben wir erstmal hier und gehen in uns. Ganz tief und von dort noch etwas weiter nach unten. Sind wir tief genug, hören wir das Heulen und Wüten unserer Dämonen. Vielleicht gelingt es uns nach einer Weile sogar, unser eigenes  wildes und ungezähmtes Wesen darin wahrzunehmen und den darin versteckten Schrei nach Freiheit, Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit, nach einem einfachen und sinnvollen Leben zu hören.