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Moe

Gefühle

Im Unterricht fragte die Lehrerin uns einst, was wir einmal werden wollten. Ich antwortete „glücklich“, worauf die Lehrerin meinte, ich hätte die Frage nicht verstanden.

Ich entgegnete darauf, sie hätte das Leben nicht verstanden.

John Lennon

Zeitenwende

Das Leben weiß es immer besser

Wer weiß schon, was Erkenntnis, was Vision ist? Manchmal scheint die Erkenntnis sehr visionär zu sein.

Wenn wir die Natur nur lassen, regelt sie alles! Wir sollten aufhören uns dermaßen zu überschätzen, dass wir glauben, den Mist, den wir angerichtet haben, wieder richten zu können. Nur wenn wir uns zurück nehmen, wenn wir erkennen, dass nicht wir es sind, die wissen wo die Reise hingeht, sondern dass das Leben selbst den Weg kennt. Wirklich kennt, aus einer viel größeren Warte heraus, die wir niemals einnehmen können, dann hat die Menschheit eine Chance das Desaster, das sie angerichtet hat zu überleben. 

Wir sollten unsere Wälder ab jetzt einfach in Ruhe lassen. Dann erholen sie sich, bilden wunderschöne Gemeinschaften aus, strukturieren sich neu. Von den Wäldern ausgehend würde sich die Natur erholen. Die wir ebenfalls in Ruhe lassen. Keine Industriegebiete mehr, keine intensive Landwirtschaft mehr. Nach und nach organisieren sich alle in Solidargemeinschaften, die Nahrung in Waldgärten (Permakultur) anbauen. Während das eine weniger wird, wächst das andere.

Wir sollten auch unsere Kinder in Ruhe lassen. Keine Krippen, keine Kitas, keine Schulen. Nach einer Generation spielender Kinder wären die meisten psychischen und viele körperliche Erkrankungen verschwunden, es gäbe wieder Familien, die den Begriff verdienen, mit entspannten Erwachsenen, die für die Kinder dann da wären, wenn diese es von ihnen einfordern und sie ansonsten in Ruhe Erfahrungen machen ließen. Wie Kinder sich entwickeln, die solcherart Selbstwirksamkeit erfahren dürfen, können wir bei indigenen Gemeinschaften, wie den Yequana („Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Über die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit.“ Jean Liedloff) sehen, die dieses Wissen für uns über die Zeit bewahrt haben. 

Spirit

Durgas Tigerin weiß, wann sie handeln und wann sie innehalten muss, wie sie sich ausruhen und abwarten kann – nicht passiv, sondern empfänglich. Die Tigerin kann stundenlang auf Beute warten. Sie jagt nicht einfach nur und ist aktiv, um der Aktivität willen.

Ist es Zeit zu Handeln, entscheidet sie sich voll und ganz, engagiert sich voll und ganz – mit ihrem ganzen Wesen. Es gibt kein Zögern. Jedes einzelne Quäntchen Energie wird zum Handeln mobilisiert und sie wird dabei voll und ganz unterstützt durch diese Hingabe an eine bereits vorhandene, größere Dynamik der Energie.

Indem wir Durgas Tigerin als eine Kraft in uns fühlen, lernen wir langsam, das Ansteigen und Absinken der Energie zu beherrschen. Wir erinnern uns daran, dass Handeln und Warten nicht unbedingt zwei verschiedene Dinge sind; sondern vielmehr Teil eines Kontinuums. Dass sich alles in Kreisläufen bewegt: Es gibt eine Zeit des Wartens und es gibt eine Zeit des Handelns. Wir lernen, auf die feineren Signale unseres Körpers zu hören, uns zu orientieren und dem Rhythmus der Dinge zu vertrauen.

Auf einem Momentum reitend, das sich bereits vollzieht, lassen wir uns auf die Welt mit dieser Unterstützung ein, fähig zu handeln, ohne uns dabei selbst zu erschöpfen. 

~ Chameli Ardagh

poem

Kindheit

Paris 1906

Es wäre gut viel nachzudenken, um
von so Verlornem etwas auszusagen,
von jenen langen Kindheit-Nachmittagen,
die so nie wiederkamen – und warum?

Noch mahnt es uns – : vielleicht in einem Regen,
aber wir wissen nicht mehr was das soll;
nie wieder war das Leben von Begegnen,
von Wiedersehn und Weitergehn so voll
wie damals, da uns nichts geschah als nur
was einem Ding geschieht und einem Tiere:
da lebten wir, wie Menschliches, das Ihre
und wurden bis zum Rande voll Figur.

Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt
und so mit großen Fernen überladen
und wie von weit berufen und berührt
und langsam wie ein langer neuer Faden
in jene Bilder-Folgen eingeführt,
in welchen nun zu dauern uns verwirrt.

Rainer Maria Rilke

Zeitenwende

Pharmatheater

Diagnosen sind der Versuch die Fülle des Lebens auf die Größe eines Tennisballs zu schrumpfen, um Kontrolle darüber zu erlangen.

Dabei geht das Wissen verloren, dass wir ganzheitliche Wesen sind und Heilung ein ganzheitliches Geschehen darstellt. 

Die Detailversessenheit der Medizin entwürdigt und bevormundet Menschen, um sie in Angst und Abhängigkeit zu führen. Da dies eingebettet in ein medizinisches und gesellschaftliches System geschieht, braucht der einzelne Arzt Klarheit und Reflexionsfähigkeit, um die Kulisse als Teil eines Theaterstücks zu begreifen, in dem ihm eine bestimmte Rolle zugedacht wurde. 

Dieses Krebsgeschwür wächst inzwischen nicht nur in den ärztliche und therapeutischen Praxen jeder Couleur, es hat in Familien und Individuen metastasiert und droht die Vielfalt des Lebens zu überwuchern und in einen Einheitsbrei zu verwandeln, der gut in die Pipeline der Pharmaindustrie geleitet und dort – gegen entsprechendes Geld – verarbeitet werden kann.

Aktuell übernimmt die Pharma die totale Geburtenkontrolle. Es wird kaisergeschnitten bis die Skalpelle klingen. Die Hebammen, die weisen Frauen der Geburt, die mit einer kleinen Drehung hier und einer Massage dort und mit einem enorme Wissen Frauen über Jahrhunderte das zusprachen, was, wie wir inzwischen wissen, für eine spontane und leichte Geburt unabdingbar ist, nämlich Mut, Kraft, Stärke, Ruhe und Vertrauen, werden aus ihrem Beruf gedrängt. Übernommen wird von überforderten Ärztlein, für die jeder Millimeter, der nicht nach fantasiertem Plan läuft, ein Auslöser darstellt ihr Lieblingsinstrument zu zücken, um das Kind aus dem Bauch zu schneiden. 

Dass dies nur der erste Akt des Dramas ist, wissen wir. Es läuft von der Wiege bis zur Bahre …

Spätestens im dritten Lebensjahr beginnen die psychischen Diagnosen. ADS, ADHS, Autismusspektrumstörungen sind nur die häufigsten, mit denen Kindern bescheinigt wird, dass sie nicht in Ordnung sind, so wie sie sind. Auch hier wird jede kleine Abweichung von der gewollten Norm als krank gelabelt. Schließlich sind es die Kinder, die sich in die Strukturen einpassen sollen, nicht die Enge der Strukturen, die für Fülle und Diversität des Lebens geändert werden muss.

Währenddessen lassen sich die Erwachsenen in Angst halten, haben das Gehirn eh schon an der Garderobe des Theaters abgegeben und katzbuckeln ergeben vor den stolz schwadronierenden Experten auf der Bühne. 

Der Lichtblick? „Der Baum, der fällt, macht mehr Krach, als der Wald, der wächst.“, sagt ein tibetisches Sprichwort. Das Leben wächst in jeder Ecke, Lücke und Nische, die es findet. Und es lässt keine Einseitigkeit zu. Nicht auf Dauer. Und so nährt es die Menschen, die Liebe, Achtsamkeit , Mitgefühl und Wärme in die Welt geben. Und es sind viele. Um sie zu hören müssen wir uns vom Getöse des Rampenlichts abwenden, unseren Blick und unsere Ohren für das Feine schulen und unserer Intuition erlauben uns dorthin zu geleiten, wo wir sie finden. Das kann auch das eigene Innere sein.

Trauma und transgenerationale Übertragung

Beziehung statt Erziehung

Wir haben nur eine Zukunft und das sind unsere Kinder. 

Ein afrikanisches Sprichwort besagt, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen. Auch wenn das sicher optimal wäre, die meisten Kinder haben das nicht. Stattdessen finden Eltern in jeder Buchhandlung eine unüberschaubare Anzahl an sogenannten Erziehungsratgebern. Darin sind tausend Möglichkeiten und ihr Gegenteil in der Kindererziehung beschrieben und mit nachvollziehbaren Argumenten belegt. Für jeden findet sich etwas, jedes Elternteil bekommt seine Voreinstellungen belegt und untermauert, was einzelne erfreut, in der Summe jedoch keine Richtung vorgibt. Eher hilft es bei der transgenerationalen Weitergabe der eigenen Traumata und Dissoziationen. Solange Eltern glauben ihre Kinder erziehen zu müssen, werden sie ihre eigentliche Aufgabe, nämlich ihren Kindern eine tragfähige und verlässliche Beziehung anzubieten, nicht erfüllen können. 

Zeitenwende

Es ist eine alte, noch aus der Antike herrührende Einsicht, dass Staatsformen, die auf der Gleichheit ihrer Bürger beruhen in besonders großer Gefahr stehen, in Tyranneien umzuschlagen. (…) Die Grunderfahrung menschlichen Zusammenseins, die in totalitärer Herrschaft politisch realisiert wird, ist die Erfahrung der Verlassenheit. (…) Was moderne Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen jagt und sie so gut vorbereitet für die totalitäre Herrschaft, ist die allenthalben zunehmende Verlassenheit. Es ist, als breche alles, was Menschen miteinander verbindet, in der Krise zusammen, so dass jeder von jedem verlassen und auf nichts mehr Verlass ist.

Hannah Arendt

Ich - Du - Wir

Innana und Ereschkigal

Kinder brauchen starke und liebevolle Eltern. Das macht sie stark und liebevoll.

Da wir jedoch in einer Welt leben, die wir seit tausenden Jahren mit Krieg, Hass und Gewalt überziehen, haben wir alle mehr oder weniger traumatisierte Eltern. In der langen Reihe unserer Ahnen wurde die Nicht-Liebe von Generation zu Generation weitergegeben. Was man nicht hat, kann man nicht geben. 

Unsere Kultur verlangt von uns eine andere, ja konträre Haltung. Elternliebe, Mutterliebe, Vaterliebe darf nicht nicht sein. Sie wird quasi als naturgegeben angesehen. Sie ist verklärt, romantisiert und fern jeder Realität. 

Wie Arno Gruen in seinen Büchern eindrucksvoll darlegt, werden wir alle mit Gleichgültigkeit, Abwertung, Hass in der Maske der Liebe gefüttert. Lesen wir einen solchen Satz, sträubt sich alles in uns. Wir sind sicher, das mag vielleicht bei anderen oder in früheren Zeiten zugetroffen haben, aber nicht bei uns. Schließlich erinnern wir uns an Spiele mit Mutter oder Vater, an lächelnde Gesichter, in denen wir Liebe zu erkennen glaubten. Zum Glück hatten die meisten von uns auch diese Momente in ihrer Kindheit. Kinder, die nichts davon haben, sterben. Da wir da sind, da wir unsere Kindheit überlebt haben, hatten wir solche Momente, die unser Herz nährten. 

Das Drama fand in größerer Tiefe statt. Die Kälte in unseren Eltern spürten wir täglich. Im Nicht-Beachtet-Werden unserer Bedürfnisse, in Nebensätzen, wie „das ist doch nicht so schlimm“, „stell dich nicht so an“, usw. Darin, dass unsere Eltern uns nicht mit Neugier auf unser Sosein betrachteten, sondern ein Projekt aus uns machten. Darin, dass sie uns mit Dingen überhäuften, die wir nicht brauchten, uns aber Zeit, Zuwendung, Nachsicht und Verständnis verweigerten. 

Nichts von alledem taten sie bewusst böswillig. Sie taten es, weil alle es so machten, weil es ihnen von der Gesellschaft, von Pädagogen, von Ärzten, ihren Eltern, Freunden und anderen wohlmeinenden Menschen so vermittelt wurde. Sie taten es, weil sie mit ihren inneren Unzulänglichkeiten beschäftigt waren, die sie irgendwie im Außen kompensieren mussten. Oder weil sie dem Glauben aufgesessen waren, wie wichtig Materielles sei und die Kinder mussten da halt zurück stecken. Dafür konnte man dann zweimal jährlich in Urlaub fliegen, ein besonderes Auto fahren oder was auch immer. 

Bestehen bleibt, dass wir nicht die Liebe erhielten, die unser Geburtsrecht ist. Und das war unerträglich. Kinder können es nicht ertragen, dass Eltern sie nicht wirklich wirklich lieben. Also taten wir, was wir tun mussten, um diese Misere zu lösen. Wir taten, was auch schon unsere Eltern und deren Eltern und so viele Eltern zuvor getan hatten. Wir nahmen die Schuld auf uns. Wenn sie uns nicht lieben konnten, dann weil wir aus irgend einem Grund nicht liebenswert waren. Vielleicht lag es an unserem Verhalten, an unserem Aussehen, vielleicht waren wir auch von Grund auf falsch. 

Die andere Möglichkeit, die wir hatten, war, die ungeliebten Anteile statt zu uns zu nehmen, auf einen Feind im Außen zu projizieren. Dieser Weg brachte uns in die perfekte Anpassung an Eltern, Gesellschaft und Kultur. Denn in unserer Kultur werden diejenigen in Geschichtsbüchern erwähnt, die durch „viel Feind, viel Ehr“ „Großes“ erreichten. Dabei fällt uns nicht auf, dass dieses Große immer durch Spaltung in „wir“ und „die Anderen“ und deren Niederwerfung errungen wird. Wie auch? Unsere Gesellschaftsspiele, unsere Sportveranstaltungen, Schule, Ausbildung, Beruf beruhen auf Konkurrenz. Wir sind darauf programmiert unsere Energie nach außen zu richten. Was wir auch gerne tun, da im Inneren unsere Dämonen lauern. Dort irgendwo ist der Schmerz unserer Kindheit verborgen, dass wir nicht geliebt wurden. Also passen wir uns weiter an die Gesellschaft an, kämpfen gegen einen Feind im Außen und gaukeln uns vor, wir wüssten was Liebe sei.

Jeder von uns kann jederzeit diese endlose transgenerationale Weitergabe von Unglück unterbrechen. Es braucht Mut, sicher. Den Mut uns unserem Inneren zuzuwenden. Wie Innana in die Tiefe hinabzusteigen, um unsere dunkle Schwester zu besuchen. Wenn wir dort bei Ereschkigal ankommen, nackt und auf Knien, müssen wir sterben. Unser Ich, wie wir es bisher kannten muss sterben, um die Oberfläche wieder sehen zu dürfen. Und danach müssen wir uns wiederholende Rituale schaffen, die uns wieder und wieder in die Tiefe führen, um unserem Leben eine Balance zu geben, die Schmerzen anerkennt, statt sie zurückzuweisen. Erst dann haben wir wahre Lebendigkeit, ein wahres Leben gewonnen. Dann können wir, aus unserem Bewusstsein für den Schmerz heraus, unseren Eltern und Ahnen vergeben. Und unsere Kinder erkennen, als die, die sie wirklich sind. Wir können sie in Liebe betrachten ohne unseren Schmerz zu verleugnen.