Es war einmal eine Zeit, als Menschen noch in Gemeinschaften lebten. Sie unterstützen sich und halfen einander. Wurde ein Kind empfangen, wurde das Wunder von allen gemeinsam gefeiert. Denn wieder hatte eine Frau ihren Körper bereit gestellt, damit er einem Wesen dienen konnte, um hier auf diese Erde zu reisen. Alle wussten, dass dieses Wesen nicht ab jetzt die werdende Materie in der Frau bewohnt. Dazu ist eine Seele zu groß. Die Seele erkennt ihren zukünftigen Körper. Sie schlüpft immer wieder hinein, hilft ihm sich zu entwickeln, wie ein Gärtner eine Pflanze unterstützt und pflegt. Aus ihrer höheren Perspektive erkennt die Seele die Bedürfnisse von Mutter und Kind, sie schlüpft in das Wesen, das sie einmal bewohnen wird, spürt die Enge des sich entwickelnden Körpers und verlässt ihn auch wieder. Der Körper ist nur ihr Haus, das sie bewohnen kann.
Es war einmal eine Zeit, in der Frauen ihr Kind allein, entspannt und in Ruhe zur Welt brachten. Mutter und Kind gebaren einander miteinander. Wo kein Druck und keine Vorschriften sind, können die Beiden im Prozess der Geburt füreinander da sein, sich aufeinander einstellen und in ihrem Tempo schwingen. Spürend in Liebe zueinander sein. Das neue Wesen weiß was es braucht. Es findet die Brust und sorgt für sich. Es weiß auch, dass es nun am Körper der Mutter bleiben wird. Es wird getragen, genährt, geliebt. Nichts ist in dieser Zeit wichtiger, als dieses aufeinander einstimmen, das Kennenlernen, das Miteinandersein. Und auch das Hineinführen des Kindes in den Alltag und die Welt der Eltern. Sicher gehalten, gut genährt. Ohne das Trauma des getrennt Werdens.
Es war einmal eine Zeit, in der Kinder nicht ins Trauma, sondern in die Liebe geboren wurden. Aus dem Körper wurden sie an den Körper geboren. Ins Getragen und Gehalten werden. Sie wurden nicht in die Erwartung und die Erfüllung der Wünsche ihrer Eltern geboren, sondern in ihr Leben. Ins unterstützt werden, ins begleitet werden. In die Möglichkeit sich auszuprobieren, egal wie die Erwachsenen dazu standen.
Es war einmal eine Zeit, in der Kinder frei, wild und ungezähmt aufwuchsen. Sie wuchsen zu starken Menschen heran, die Liebe ausstrahlten, weil sie in Liebe gezeugt, geboren und gehalten wurden. Sie waren nicht die Projektionsfläche ihrer traumatisierten Eltern, bekamen keine transgenerationalen Aufträge aus dem Unerledigten der Erwachsenen. Sie hatten nicht deren Leben glücklich zu machen, nicht ihren Mangel zu füllen. Sie waren. Und sie durften sein. Sie lebten ihr eigenes Leben. In dem Moment, in dem wir dorthin zurück kehren, kehrt die Liebe in die Welt zurück. Die Menschen werden nicht nur sich lieben, sie werden auch die Tiere lieben und die Pflanzen. Sie werden Mutter Erde lieben. Und in dieser ihrer Liebe wird es ihnen nicht möglich sein ein anderes Wesen oder die Welt zu verletzten. Liebe gebiert Liebe.
Moe
Ich schrecke hoch. Etwas hat mich geweckt. Ein lautes, ungewohntes Geräusch. Es ist stockdunkel, mein Herz pocht. Mein gesamtes System ist aktiviert und bereit sich zu wehren. Durch meinen Kopf zucken unkontrollierte Gedanken. „Was war das? Da ist etwas. Da schleicht jemand ums Haus!“ Die Angst hat schon beim Erwachen ihre Krallen ausgefahren und hält mich nun fest im Griff. Ich bin überzeugt, dass jemand mir Böses will. Ums Haus schleicht. Nur darauf wartet, dass ich atme, um mir etwas anzutun. Ich bin starr, kann mich nicht mehr bewegen. Mein Atem geht flach und stoßweise. Da ist das Geräusch wieder. Ich schrecke wieder hoch und gleichzeitig atme ich tief ein. Eine Pomelo. Der Baum hat eine Pomelo aufs Dach fallen lassen. Erleichterung läuft durch meinen Körper und ich entspanne mich. Dann setzt mein Denken wieder ein. Wieso diese Angst? Völlig unbegründet? Auf jeden Fall diffus. Das kenne ich von früher. In Deutschland hat diese Angst mich daran gehindert nachts alleine in den Wald zu gehen. Eine tiefe Angst. Existenzangst. Und das Wissen, dass jemand nicht möchte, dass ich lebe.
Ich beschließe mich der Angst zu stellen. Sie ist noch da. Ganz dicht unter der Oberfläche meines Bewusstseins. Ich lege mich zurück, schließe meine Augen und lasse zu, dass sie wieder aufsteigt. Mein Herz beginnt wieder laut und schnell zu pochen. Ich habe das Gefühl, die Angst umhüllt mich, wie ein Kokon, in dessen Mitte ich liege und ihr ausgeliefert bin. Und dahinter der Wunsch eines Wesens, das mich nicht will. Ich soll nicht sein. Ich fühle mich winzig klein und da draußen ist etwas, das mich nicht will. Dann taucht ein Bild auf. Das Bild eines Kindes im Mutterleib. Und dann klärt es sich. Meine Mutter war mit mir schwanger von einem verheirateten Mann. Ein Teil von ihr wollte nicht, dass ich bin. Ein Teil von mir ist genau an diesem Trauma stehen geblieben. In dieser Wolke von Nicht-gewollt-sein, die meine Angst ausgelöst hat.
Ich tauche schon immer tief. So tief bin ich noch nie getaucht.
Der Nacht ging voraus, dass ein Mensch, den ich traf, mit aller Macht versuchte mich zu kontrollieren. Im Wachbewusstsein, hatte ich eine sehr klare Vorstellung davon, wer er ist und wer ich bin. Mein tiefes Sein nahm diese Energie, verband sie mit der frühen, tiefen Angst und die Pomelo brachte alles ins Bewusstsein.
Ich weiß, dass diese diffuse Angst nicht mehr auftauchen wird. Von nun an gibt es eine Zuordnung. Diffus war sie nur, solange sie als Schleier durch meine Seele zog und sich vom nicht-wirklich-wahr-sein nährte.
Dass meine Mutter mich nicht wirklich wirklich wollte, weiß ich schon lange. Nun hatte auch dieses kleine Wesen seinen Moment, wurde gesehen und gehört. Es hat viele Jahre diesen Schmerz für mich gehalten und durfte sich nun entspannen. Ich sehe seinen Schmerz, der meiner ist. Ich sehe seine Not, die meine ist. Ich sehe seine Verzweiflung, die auch meine ist. Und nun eigentlich nicht mehr. Denn all die an diesem dunklen Ort gefrorene Energie hat sich gelöst. Fließt nun frei. Das kleine Wesen schläft mit einem bezaubernden Lächeln auf seinen Lippen und ruht sich aus. So lange hat es gewacht. Wenn ich daran denke spüre ich wie meine Adern sich weiten. Wie mein Brustkorb weit wird. Es wird hell und warm.
Die Hütte im Busch, der Mensch … ich danke dem Leben, dass es mich an diesen Ort geführt hat und diese alte, tiefe Angst erlöst wurde.
… wirft dich auf dich zurück!
Das Leben ist keine Linie, die bei der Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Auch wenn uns das immer wieder so erzählt wird.
Das Leben ist ein Kreis. Ein Kreislauf. Und eine Spirale. Es ist organisch, in sich geschlossen und für jegliche Entwicklung offen.
Wir wissen nicht wo es beginnt. Die Prä- und Perinatale Psychologie zeigt uns, dass es lange vor der Geburt lebt. Und vor der Zeugung. Der Buddhismus und der Hinduismus sehen das auch so. Leben ist. Energie. Materie. Und wohl einiges mehr, das wir noch nicht verstehen. Es materialisiert sich mit der Zeugung, die Materie löst sich mit dem Tod wieder. Die Energie bleibt. Die sich lösende Materie kompostiert und bietet sich als Nährstoff für neues Leben an. Atom um Atom.
Wenn du hier lebst, lebst du mit dem Tod. Er ist überall. Die Bäume sterben das ganze Jahr. Nach jedem Sturm findest du ihre abgestorbenen Blätter. Tiere sterben hier so leicht, wie sie geboren werden. Das Leben des kleinen Eselchens zuckt für einen Tag und eine Nacht auf. Eine Sternschnuppe am dunklen Himmel. Der Hund liegt am Straßenrand. Nach zwei Tagen nährt er die Geier.
Doch die Tiere wehren sich auch. Nicht gegen den Tod. Gegen das Gefressen-Werden. Die Raupe schießt mit giftigen Härchen. Der Frosch hat eine Haut, die das Maul des Beutegreifers vergiftet. Die Eidechse hat einen Giftschwanz und ja, da sind die wunderschönen giftigen Schlangen. Feuerameisen sind winzig, doch ihren Biss vergißt du so schnell nicht.
Wenn du hier lebst, lebst du mit dem Leben. Es bricht überall herein. Alles wächst, vermehrt sich, wird geboren, gebärt, um zu leben, zu vergehen und zu nähren. Es erdet dich. Es holt dich aus dem virtuellen Raum deines Dramas in die Realität der Welt.
Wo Krankheit, Alter und Tod ausgeschlossen, weggesperrt, vergessen, verloren sind, brauchen wir das Drama des Films, den Tod im Krimi, das Erschrecken über das wir Kontrolle haben. Irgendwie sind wir an den Punkt gelangt, zu glauben wir sollten, wir könnten, wir müssten Krankheit, Alter und Tod überwinden. Welch ein Wahnsinn. Alles in uns schreit danach. Denn wer ist Krankheit, Alter, Tod? Das sind doch wir. Wir können uns nicht selbst überwinden, ohne uns dabei zu verlieren, uns überflüssig zu machen, uns auszuradieren. Krankheit, Alter, Tod gehören zum Leben. Sie sind das Leben selbst, wie Geburt, Jugend, Gesundheit das Leben sind. Es ist nicht möglich das Eine ohne das Andere zu haben.
In Paraguay lernst du das wieder. Du kannst nicht anders. Du erkennst -nicht nur, dass du die Welt nicht retten kannst- du erkennst, die Welt will nicht von dir gerettet werden. Sie will sein. Sie will leben. Mit allem was sie zu bieten hat. Und ohne Krankheit, Alter und Tod, hätte sie nichts mehr zu bieten. Spür hin und du erkennst.
Die transgenerationale Weitergabe von Verhalten führt dazu, dass immer wieder Täterverhalten der Eltern beim Kind gespeichert und später in entsprechenden Situationen von diesem abgerufen wird.
Bindungs- und Entwicklungstraumatisierungen stürzen Menschen oft in große Verwirrung. Irgendwann erleben sie sich selbst als Täter. Meistens spüren sie diese innere Tendenz, wenn sie ein Wesen gegenüber haben, das ihnen unterlegen ist und Verhaltensweisen eines Opfers zeigt. Das kann beim eigenen Kind, beim Hund oder in einer erstmal neutral wirkenden Situation sein, wenn zum Beispiel ein Autofahrer auf die Katze oder das Reh auf der Straße zuhält, statt abzubremsen. Das Kind wird angeschrien, weil es ein bestimmtes Verhalten gezeigt oder eben nicht gezeigt hat. Der Hund wird an der Leine hinter dem Menschen her gezerrt und dabei übel beschimpft. Dem kann eine lange Zeit voraus gehen, in der sich die Menschen nicht spürten. Eine Zeit, in der sie hauptsächlich im Außen orientiert waren, Ablenkung in Events suchten und vielleicht ab und an ihre Grenzen spürten, als sie sie massiv überschritten. Alkohol und/oder Drogen konsumierten, ev. gefährliche Hobbys hatten, sexuelle Abenteuer suchten.
Menschen, die als Kinder zum Opfer ihrer Erwachsenen werden, haben erlebt, dass ihr Verhalten dazu geführt hat, dass der Vater, die Mutter sie anschrien, sie oder auch sich selbst beschimpften. Was auch immer geschah, es hat das Kind damals so verstört, dass es beschloss ein Verhalten als Tabu zu labeln und sein eigenes erlebtes Gefühl abzuspalten.
Erlebt der Erwachsene dann ein Wesen, das er als unterlegen definiert, das dieses abgespaltene Verhalten zeigt -oft handelt es sich um unterwürfiges Verhalten, es kann jedoch auch Lebensfreude, Trauer oder Aggression, letztlich jedes Verhalten sein- steigt die unbewusste Angst auf, das abgespaltene Gefühl könne wieder auftauchen. Da dieses Gefühl mit Existenzangst gekoppelt ist, muss auf jeden Fall verhindert werden, dass es wieder erlebt wird. Daher wird nun versucht das Verhalten des Gegenüber zu verändern. Durch eigene Aggression oder durch Depression und emotionale Erpressung -wenn du das tust, wird Mama so traurig! Du bist selbst Schuld, dass du eine gefangen hast!
Manipulation ist eine weitere Täterstrategie. Dabei ist es gleich, ob es sich um positive oder negative Manipulation handelt. Negative Manipulation kann beispielsweise eine angedrohte Konsequenz sein -tja, wenn das heute so weitergeht, dann war es das wohl mit deinem Wochenendausflug! Als „positive“ Manipulation ist ein Lob zu sehen, das nicht aus dem Herzen kommt, sondern hinter dem ein geheimer Lehrplan steht. Wenn Geld für gute Noten gezahlt wird oder das Lob dazu führen soll, dass bestimmte Handlungen wiederholt werden, die nicht das Sein des Kindes in den Mittelpunkt stellen, sondern das Wohlbefinden der Erwachsenen. Wird gutes Verhalten belohnt, geht es oft darum, dass der Erwachsene sich nicht vor anderen „blamiert“ sehen möchte, was seine Scham triggern könnte, weil sein Kind negativ aufgefallen ist. Oder sich nicht mit Institutionen wie Schulen auseinander setzen möchte, weil die Lebendigkeit des Kindes dort stört.
Jegliche Täter-Verhaltensweisen wirken negativ in mehrere Richtungen. Das Kind wird in seinem So-Sein abgewertet. Der Täter verletzt sich selbst durch seine Verhaltensweise und rutscht oft von der Aggression in Depression, Schuld- und Schamgefühle. Konsequent weitergedacht kann dies zu Mord oder Suizid führen.
So entsteht eine seltsame „Normalität“ in der Zwickmühle des Opfers, das immer wieder Täterverhaltensweisen zeigt und nicht weiß, wie es eine Veränderung herbeiführen kann, falls schon so viel Bewusstsein besteht zu erkennen, dass er sich oft an entgegengesetzten Polen bewegt.
Der Ausstieg kann nur über Bewusstwerdung geschehen. Dem Bewusstsein muss dann Verantwortungsübernahme folgen. Beide Schritte sind angstbesetzt. Verantwortungsübernahme bedeutet, abgespaltene Gefühle zuzulassen. Aufkommende Schuld, Scham, Peinlichkeit und auch Angst- und Panikgefühle bewusst zu spüren, eventuell darüber zu sprechen -ich schäme mich, wenn ich nur daran denke. Ich traue mich nicht, es auszusprechen- und sich wenn nötig Hilfe zu holen, um die Prozesse zu entwirren, zu verstehen und damit Veränderung zu initiieren.
Es braucht dabei nicht darum zu gehen, wer wann was falsch gemacht hat, obwohl das natürlich ein Ansatz sein kann, auch um Bewusstsein für eigene innere Anteile zu schaffen, die weiterhin in Not sind. Letztlich war jeder Täter zu einer anderen Zeit Opfer und wiederholt seine Not, wie um eine Lösung zu finden. Es kann also nur um einen Ausstieg gehen. Indem Mechanismen entwickelt werden, zu erkennen „Handle ich gerade aus einem Anteil, der in der Vergangenheit feststeckt und im hier und heute eine Lösung für ein Problem der Vergangenheit sucht? Oder bin ich in meinem freien Erwachsenen-Ich und reagiere auf die gegenwärtige Situation adäquat?“ Hilfreich, um das zu erfassen, ist es, zu überprüfen, ob die Gefühle, die ich empfinde, zur Situation passen, oder ob sie unangemessen erscheinen. So kann ich feststellen, ob gerade ein Anteil am Start ist, der die Gegenwart mit der Vergangenheit verwechselt oder ob ich zentriert im hier und jetzt bin.
… findet unter anderem statt, wenn Eltern sich nicht spüren. Nicht in einem inneren Kontakt mit ihren Gefühlen und Körperempfindungen sind. Dies macht sie fühl- und empfindungslos für den Schaden, den sie verursachen. Mitgefühl beruht auf einem mit-spüren können, was das Gegenüber empfindet. Spüre ich mich nicht, kann ich auch nicht mit-spüren.
Stell dir vor, eine Mutter betrachtet ihr Kind mit dem Blick eines Forschers, der Geiseltierchen unter dem Mikroskop betrachtet. Er hat gerade einen chemischen Stoff in die Flüssigkeit gegeben und „erforscht“ nun, wie die Geiseltierchen darauf reagieren. Emotion- und Gefühllos.
Ein Kind das nach einer mütterlichen (oder väterlichen) Interaktion (zum Beispiel einer Strafe oder „Konsequenz“, es sind auch viele andere Interaktionen denkbar) so betrachtet wird, spürt sofort, dass keine Verbindung zwischen dem Elternteil und ihm besteht. Denn das Kind erwartet immer mit Liebe betrachtet zu werden -was sein Geburtsrecht ist-. Es wird darauf reagieren, indem es den Kontakt zu sich kappt. Alles andere wäre existenziell bedrohlich, sprich die Eltern könnten es in irgendeiner Form „verstoßen“, was traumatisierte Eltern tatsächlich immer wieder getan haben und bis heute tun*. Besser sich verlieren, als die Eltern verlieren. Das könnte bedeuten das Leben zu verlieren. (Was sowieso geschieht. Denn das Kind verliert sein Leben und lebt nun das Leben, das die Eltern ertragen können).
Ein Kind ist immer existenziell von seinen Eltern abhängig. Daher wird es alles dafür tun, die Beziehung zu schützen. Und das bedeutet meistens, es gibt sich, sein Wissen über sich, seine Vorstellung von sich, seine Liebe zu sich, auf, wenn es glaubt dadurch die Beziehung zu seinen Eltern zu riskieren. Kinder gehören zu ihren Eltern (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen). Und Eltern sollten darin unterstützt werden, mit sich und ihren Kindern besser leben zu können. Dies ist in den meisten Fällen möglich, wenn an den Ursachen und nicht am Verhalten gearbeitet wird.
Die Eltern handeln nicht so, weil sie „böse“ Eltern sind. Sie handeln so, weil sie selbst so behandelt wurden und diese Art des Umgangs mit Kindern verinnerlicht haben. In der Transaktionsanalyse würde man sagen, sie handeln aus ihrem inneren Eltern-Ich heraus. Sie sind also nicht in Kontakt mit ihrem lebendigen aktuellen Sein, sondern agieren aus einem in der Vergangenheit erlernten und verinnerlichten Muster heraus, indem sie dieses wiederholen.
Auch diese Eltern haben als Kinder ihr Ich, ihr So-Sein aufgegeben, weil sie spürten, dass die Beziehung zu ihren Eltern gefährdet war.
*Eltern haben Kinder zu vielen Zeiten abgegeben. Zum Arbeiten beim Bauern oder Handwerker; in den Wald geschickt, weil sie glaubten sie nicht mehr ernähren zu können (sogar in das Kulturgut der Märchen eingegangen); als Sklaven verkauft und so weiter. In der Gegenwart gibt es Eltern, die sagen, ihr erwachsenes Kind sei nicht mehr ihr Kind, weil es sich nicht so verhält, wie sie es wünschen. Was haben solche Eltern wohl ihren Kindern vermittelt, als sie noch klein waren? Kinder werden in Heimen, Internaten und anderen Einrichtungen untergebracht, weil man „nicht mehr mit ihnen klarkommt!“. Es ist also nicht weit hergeholt, dass traumatisierte Eltern ihre Kinder verstoßen.
„Mit der Entwicklung der Landwirtschaft wurde eine neue Form jugendlicher Störung möglich (und in der Tat unvermeidbar) – eine Störung, die mit der Gier beginnt und mit Horten, Herrschaft und Gewalt endet. Vor der Einführung der Landwirtschaft gab es kaum etwas zu horten, denn es gab kaum materiellen Überschuss. In den Stämmen der Jäger-Sammler war (im materiellen Sinne) niemand bedeutend reicher als die anderen. Das überleben des Stammes hing im Wesentlichen von der Kooperation seiner Mitglieder ab. Extreme oder krankmachende Selbstsucht wurde nicht geduldet. Doch mit dem Aufkommen der Landwirtschaft (der Domestikation ausgewählter Tier- und Pflanzenarten) kam auch die unvermeidbare pathogene Idee persönlichen Besitzes und die Möglichkeit, dass einige Menschen zu dem Schluss kommen, es sei eine gute Idee, Dinge für sich selbst anzuhäufen.
Sobald ein auf Landwirtschaft basierender Stamm auch nur ein einziges Individuum hervorbringt, das zu horten beschließt – und bereit, sowie willens ist, zu diesem Zweck tödliche Gewalt zu verwenden – beginnt sich das kulturelle Gewebe dieser Gesellschaft aufzulösen. Andere Individuen werden ebenfalls damit beginnen, Dinge zu horten, um sich selbst zu schützen. So wird der Stamm zunehmend materialistischer, wettbewerbsorientierter, antropozentrischer, und gewalttätiger. Bald folgt eine Struktur verschiedener wirtschaftlicher Klassen und schließlich die Sklaverei.
Über kurz oder lang wird der Herrscher eines solchen Stammes (üblicherweise ein männliches, patho-adoleszentes Individuum) entscheiden, dass es eine weitere gute Idee sei, andere Stämme zu überfallen, um deren Getreide, Tiere, Frauen und sonstige Reichtümer in seinen Besitz zu bringen. Das ist der Beginn des Imperiums. Wie der Historiker Andrew Schmookler in seinem Buch The Parable of the Tribes: The Problem of Power in Social Evolution (Albany: State University of New York Press, 1995) beschreibt, haben die Nachbarstämme jetzt vier verschiedene Möglichkeiten: Sie können erstens ausgelöscht, zweitens erobert und assimiliert werden, drittens selbst aggressiv Krieg führen oder viertens fliehen (soweit abwandern, bis eine ausreichende Distanz zu den gewalttätigen Stämmen hergestellt ist). Und das ist, auf die Größe einer Nussschale gebracht, die Geschichte unserer Welt in den letzten paar tausend Jahren.
Schließlich gerieten die meisten Gesellschaften unter die Kontrolle pathologischer (soziopathischer) adoleszenter Führer (üblicherweise männliche Tyrannen), welche die kulturellen Traditionen systematisch so veränderten, dass sie deren Dominanz unterstützten. Zu diesen Veränderungen gehörten (und gehören) anthropozenttrische, androzentrische Religionsformen, eine Bevorzugung feindlicher Konkurrenz gegenüber Kooperation, Land-„Eigentum“, die Unterdrückung von die Natur verehrenden und auf ihr basierenden Ritualen, die Bildung von sozialen Schichten und Sklaverei, Rassismus, Sexismus, Militarismus, plutokratische Regierungsformen, die systematische Ermordung echter Erwachsener und Ältester (Schamanen sowie andere kulturelle und spirituelle Führer), obligatorische, egozentrische Bildung und Erziehung sowie der daraus resultierende ökologische Bildungsmangel und vielleicht auch die gegenwärtige Zerstörung einer gesunden Gesellschaft: die Schaffung von Konzernen mit persönlichen Rechten.
Die Unterdrückung der dem Menschen innewohnenden Fähigkeit, in ein echtes Erwachsenensein und wahre Ältestenschaft hineinzuwachsen, ist ein grundlegendes Resultat dieser und anderer kultureller Umwälzungen, was die kulturellen Ressourcen, welche die menschliche Entwicklung unterstützen, noch weiter untergraben hat. Diese Störung des natürlichen Verlaufs menschlichen Erwachsenwerdens ist ein zentrales Ziel aller Herrscher-Gesellschaften – aus dem einfachen Grund, dass Kinder und in der Entwicklung begriffene Jugendliche (jeden Alters) viel leichter als echte Erwachsene und Älteste zu kontrollieren und zu dominieren sind.
Im zwanzigsten Jahrhundert erreichte dieser Prozess der kulturellen Zersetzung und auf Gier basierenden Imperiums-Bildung in zweierlei Hinsicht seinen unvermeidbaren Höhepunkt. Zum einen ist mittlerweile fast jeder „Stamm“ dieser Erde vom modernen kulturellen Herrschermodell assimiliert worden: der globalen industriellen Wachstumsgesellschaft. Es gibt buchstäblich keinen Ort mehr auf der Erde, an dem gesunde partnerschaftliche Gesellschaften noch in Frieden leben könnten. (Auch wenn in den abgelegensten Ecken des Planeten vielleicht noch die eine oder andere existiert). Zum anderen droht der gesamten menschlichen Art mittlerweile die Auslöschung durch die industrielle Wachstumsgesellschaft.
Als Konsequenz daraus sehen wir uns mit der weltweiten Notwendigkeit konfrontiert, mit allen Wesen (menschlich oder nicht) zusammen zu arbeiten und Partnerschaften zu bilden – oder unterzugehen.“
Bill Plotkin
Das Labyrinth ist aus vielen Traditionen bekannt. So war es auch bei den Hopi ein Weg in die Ganzheitlichkeit von Körper und Seele.
Der Entschluss ein Labyrinth zu begehen, ist auch der Entschluss sich der eigenen Spiritualität zu stellen, vielleicht sich ihr zu nähern, sich ihr auszusetzen und sich von ihr durchdringen zu lassen.
Wenn du bereit bist ein Labyrinth zu begehen, überschreitest du eine Schwelle. Und ja, es ist hilfreich tatsächlich eine echte Schwelle zu überschreiten. Das kann ein Ast, ein Stein, ein mit dem Fuß gezogener Strich sein. Damit gibst du dir und allen deinen Seelenanteilen einen klaren Impuls in Richtung, ab jetzt betrifft mich alles ganzheitlich. Meinen Körper, meinen Geist und meine Seele‘. Alles was nun geschieht hat Bedeutung. Denn der Gang ins Labyrinth ist, wie die Hopi sagen, „ein Weg nach innen, der nach außen führt“.
In der Welt in der wir leben, richten wir häufig unsere Energie ganz auf das Außen. Auf unsere Leistungen, die Gestaltung unseres Lebens, Freizeit. Wir identifizieren Probleme, die wir lösen wollen und das Glück, das wir darüber zu erreichen glauben. Fühlen wir uns glücklich, sind die Impulse, die aus unserem Inneren kommen angenehm. Sind die Impulse von innen weniger angenehm, glauben wir im Außen etwas verändern zu müssen. Dieses Innen-Außen Verständnis unseres Wesens ist verbreitet, oft jedoch nicht hilfreich. Meist versuchen wir unser Inneres zu meiden, sitzen dort doch auch die Monster unserer Vergangenheit. Unsere Ängste und Unzulänglichkeiten, unsere Hilflosigkeit, unser Zweifel und unsere Wut.
Das Labyrinth führt uns nach innen. Wir gehen über die Schwelle und erlauben unserer Spiritualität ihren Platz in unserem Leben einzunehmen. Dadurch nehmen wir unseren Sitz im Kreis derer ein, die auf diesem Weg sind. Alles was uns jetzt begegnet, findet seinen Widerhall sowohl im Innen, wie im Außen.
Die Mitte scheint das Ziel zu sein, das wir erreichen wollen. Der Weg führt uns zu Beginn fast zur Mitte, wir sehen sie vor uns, dann dreht sich der Weg und wendet sich weg von der Mitte. Wir verlieren sie aus dem Blick, manchmal auch aus unserem Gewahrsein. Jetzt sind wir auf dem Weg und während wir gehen, bleibt unser Blick an Dingen im Außen hängen oder es steigen Gefühle aus unserem Inneren auf, Gedanken, Erinnerungen. Wir verbinden das Außen mit dem Innen und plötzlich bekommt alles Sinn, ein Lächeln taucht auf und etwas in uns versteht.
Bei den Hopi heißt das Labyrinth ‚Tapuat‘, was auch das Wort für Mutter Erde ist. Man kann das in etwa so deuten: Der Mensch geht über die Erde, um sich selbst zu finden. Er kommt durch den Leib seiner Mutter hierher, lebt sein Leben mit allen Wendungen und Drehungen und dem Begehren, sich selbst zu finden. Am Ende des Lebens verlässt er die Erde wieder.
Das wirft in mir die Frage auf, was geschieht mit all den Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen? Mit der Weisheit, die entstanden ist? Ist sie am Ende einfach weg? In der Natur wird letztlich nichts verschwendet. Alles was gelebt hat und gestorben ist, gibt seine Energie zurück zur Mutter, die sie nutzt, um neues Leben daraus zu erschaffen. Auf Humus wächst alles besser. Wieso sollte das auf der spirituellen Ebene anders sein? Also stelle ich mir einen großen Suppentopf vor, in dem wir alle schwimmen und der unsere Erfahrungen, unsere Erkenntnisse und auch unsere Irrtümer und Weisheiten aufnimmt und allen zur Verfügung stellt.
Kartons – überall in der Wohnung und im Haus verteilt. Eine Matratze auf dem Boden, Kleider an einer Stange, die Schränke fehlen, viele der Inhalte auch. Die Zeit rast, tausend Dinge sind zu tun. Bald geht der Container, der Beginn einer Reise in ein neues Land, ein neues Leben?
Währenddessen trudelt mein bisheriges Leben durch die Zeit. Fällt und steigt durch Tage und Nächte, vollgepackt mit Gedanken, Gefühlen, Ideen und Impulsen. Nicht vergessen, mich erinnern, noch zu tun haben.
Da steigen Situationen aus Bereichen auf, die so nicht zu erwarten waren. Als dränge Altes, das noch gesehen und gewürdigt sein möchte, an die Oberfläche, suche das Licht und den Blick, der es entdeckt, Bewusstsein, das kurz darauf ruht, Handlung, die daraufhin erfolgt, damit es tief durchatmen und in sich zusammenfallend, sich integrieren, und auflösen darf. Als erkenne etwas im Inneren die Schwelle, an der ich stehe und nutze die Gelegenheit. Es hatte seinen Moment, war da, wurde gesehen. Keine Notwendigkeit mehr in der Tiefe zu gären, Blasen zu werfen und sich aufzublähen. Geburt – Leben – Tod – Integration.
Die Reise findet innen und außen statt. Bedingt sich gegenseitig, nicht voneinander zu trennen. Vor mehr als zwanzig Jahren, auf dem Camino de Frances begann eine Pilgerreise, die nicht mehr endete. Eine Reise, die mein Innen und mein Außen über Bewusstheit verband und allem einen Sinn gab.
Später auf dem roten Weg der Lakota, diesem inneren Ruf, die eigene Innenwelt und die Umwelt in Einklang zu bringen und dem Leben, mit allem was es uns schenkt, voll Mut und Mitgefühl zu begegnen, wurde dieses Durchdrungensein des Lebens von der Innenwelt noch deutlicher. Ein wichtiger Aspekt dieses Weges war und ist immer das Recht frei zu sein. Frei zu tanzen, zu beten, zu lieben, zu träumen. Visionen zu haben und ihnen zu folgen. Frei zu lernen und zu lassen. Frei sein, die eigene Wahrheit zu erkennen und sie in die Welt hineinzuleben. In dieser Freiheit lebt auch der Respekt vor sich selbst und der gesamten Schöpfung, Wakan Tanka.
Nun führt der Pfad nach Südamerika, dort wo eigentlich der Regenwald, die Lunge von Mutter Erde, seine grünen Flügel ausbreiten sollte. Dorthin, wo jetzt Firmen, gestützt durch endlose Geldspritzen der M(m)ächtigen dieser Welt, wüten. Berauben sie unser aller Mutter ihrer Fähigkeit tief zu atmen und nehmen uns in ihrer Gier nach mehr, mehr Macht, mehr Einfluß, mehr Geld, das, was so wichtig ist. Grüne Wälder, die uns Luft und Sauerstoff zum Atmen geben.
Aber auch dorthin, wo Menschen leben, die ein Leben haben, das zu einem großen Teil in der Natur stattfindet, das nicht von der Hetze nach Geld bestimmt ist. Dorthin, wo Kinder noch draussen spielen, in Gruppen miteinander rennen und lachen. Meist ohne viele materielle Güter, dafür mit offenen, freundlichen Gesichtern, die schnell lachen und hilfsbereit sind.
Was auch immer dort wartet, sicher ist, es wird eine Hängematte geben!
Vergiss Sicherheit. Lebe, wo du fürchtest zu leben. Zerstöre deinen Ruf. Sei berüchtigt.
Rumi