Bindung ist für das Überleben eines Säuglings so wichtig wie die Luft, die er atmet. Und so wenig, wie er die Luft als von sich getrennt wahrnimmt, so wenig sollte er Bindung wahrnehmen. Das ist auch nicht möglich, solange kein Mangel daran besteht. Bindung ist der Blick in die Augen seiner Mutter. Bindung ist ihr Geruch, die Wärme ihres Körpers, ihr Lachen, die Nahrung, die aus ihrer Brust strömt. Bindung ist die Liebe der Mutter, in der der Säugling badet.
Irgendwann fügt sich zur Bindung ein neuer Duft. Er kommt aus dem Inneren des Kindes und heißt Autonomie. Autonomie begrenzt Bindung. Das Kind hat genug vom Kitzelspiel und wendet den Blick ab. Es möchte nicht weiter so stark gedrückt werden und biegt seinen Körper nach hinten, weg von der Mutter. Autonomie erweitert den Dialog von Mutter und Kind um die feineren Bedürfnisse des Kindes. Ist die Mutter in einem guten Kontakt mit sich, nimmt sie die Autonomiebestrebungen ihres Kindes wahr und reagiert darauf, indem sie sie unterstützt. So entwickelt sich das Kind, geschützt durch die Liebe, die es umgibt, mit sich und auch in seiner Beziehung zur Welt. Es ist eine Entwicklung, getragen von Liebe, hin zu einer Offenheit, Weite und Freiheit in der Welt.
In unserer Kultur kommen jedoch bald Glaubenssätze dazu, die diese Entwicklung beeinflussen, behindern, manchmal sogar stoppen. Glaubenssätze, in denen Müttern gesagt wird, was Kinder „sollten“.
„Kinder sollten alleine in einem Raum durchschlafen.“
„Nur zu bestimmten Zeiten essen.“
„Ruhig sein, wenn Erwachsene sprechen.“
„Sich jetzt endlich mal benehmen.“
… und so vieles mehr!
All diese Glaubenssätze sind nur Gedankenkonstrukte, mentale Konzepte, Ideen mit denen Kinder fügsam gemacht und ihre Autonomie unterbunden werden soll. Letztlich sollen sie Erwachsenen das Leben erleichtern und Kinder kontrollierbar machen.
Bindung und Autonomie sind also keine Gegensätze. Sie ergänzen sich in einer natürlichen Entwicklung. Kinder wachsen in einer sicheren Bindung zu Menschen heran, die ihrer kreativen Neugier nachgehen können. Ihre Autonomie hilft ihnen Grenzen zu setzen und wahrzunehmen was in der Welt da draußen ihnen wohlgesonnen ist und wo Vorsicht nötig ist. Beides zusammen macht sie unabhängiger, je älter sie werden.
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