Heute haben wir Neumond. Zeit für einen Neubeginn. Zeit nach vorne zu schauen und loszugehen.
Zeit, dass wir unser Opfer-Sein beenden. Keine weiteren Videos schauen, die, in einem anderen Kleid, uns wieder und wieder zeigen wie böse die Welt da draußen ist, wie ungerecht und welche bösen Menschen all das geplant und gewollt haben.
Es wird Zeit zu erkennen, dass wir und nur wir, unser Leben gestalten. Dazu ist es wichtig die inneren Strategien zu erkunden, unsere tief eingeschliffenen Muster zu erkennen und uns einzugestehen, dass wir oft nur eines wollen, nämlich Kontrolle.
Und genau die, gilt es loszulassen.
Das haben wir doch schon so oft gehört: Lass es los! Ja prima. Gute Idee. Aber wie, bitteschön, geht das? Wie lasse ich etwas los, das mir so vertraut ist, wie meine Haut, meine Haare, mein Gesicht? Wie lasse ich los, was mir so gute Dienste geleistet hat? Als Kind hat es mir das Überleben gesichert. Immer wenn meine Kontrolle größer wurde, wurde ich geliebt: Wenn ich Dinge gezielt greifen konnte, als ich nicht mehr in die Hosen machte, wenn ich kluge Sprüche von mir gab, von denen ich wusste, dass meine Erwachsenen sie bejahen. Wenn ich ruhig sitzen konnte und nur dann sprach, wenn es erlaubt war – eben nicht während des Unterrichts! Geliebt wurde ich meist nur, wenn ich meine Bedürfnisse zu Gunsten der Bedürfnisse oder der jeweiligen Wertvorstellungen anderer oder der Gesellschaft aufgab.
Und ja, wir alle haben Bedürfnisse aufgegeben. Wir haben sie ersetzt durch fremde Ideen wie wir sein und uns verhalten sollen. Das kleine Mädchen, der kleine Junge, die wir mal waren, haben sich selbst gebogen und geformt und ausgerichtet, nach den Prinzipien, die Liebe und Nähe und Verbindung versprachen.
Wie können wir diese Prinzipien loslassen? Das funktioniert nur über Bewusstwerdung. Sprich, um eingefahrene Muster zu verlassen, müssen wir zuerst erkennen, dass wir sie haben. Das geschieht über Beobachtung unseres Verhaltens und anfangs oft nur im Nachhinein. Hinweise darauf, dass ich in meinen Strategien gehandelt habe, geben mir zum Beispiel meine Gefühle. Sind sie angemessen? Oder passen sie nicht zur aktuellen Situation? Beschäftigt mich eine Situation noch, nachdem sie schon längst vorüber ist?
Immer dann, wenn ich ein ungutes Gefühl spüre, treffen in meinem Inneren zwei Werte aufeinander. Ich treffe zum Beispiel jemanden und fühle mich unsicher. Da stehen sich innere Anteile von gemocht werden und mein ursprüngliches Bedürfnis, einfach ich zu sein, gegenüber. In der unbewussten Kontrolle wird sich vielleicht mein Atem verändern, mein Muskeltonus, mein Stoffwechsel, etc.
Spüre ich meinen Körper, können solche Veränderungen ein guter Einstieg sein. Ich nehme wahr und gebe dem Körpergefühl in mir Raum. Oder ich nehme auch auf der kognitiven Ebene wahr und erkenne die inneren Erwartungen. Vielleicht fällt mir sogar eine dahinter stehende Situation ein. Dieses Wahrnehmen bringt mich an einen Punkt der Nicht-Reaktion und damit aus dem Muster heraus. Dies ist der Platz, um Entscheidungen zu treffen. Wie möchte ich mich verhalten? In welche Strategie gehe ich? Mache ich mich weiter klein? Oder zeige ich wie toll, wie taff oder was für ein Überflieger ich bin, wie ich funkeln und strahlen kann? Oder wie mitfühlend und empathisch ich doch bin? All das gehört zu den Schubladen, die wir uns im Laufe unseres Lebens geschaffen haben, um die Kontrolle zu behalten und uns sicher zu fühlen.
Oder wage ich etwas ganz neues und zeige mich genauso, wie ich jetzt bin? Vielleicht spreche ich aus, wie ich mich fühle. Oder welche Erwartungen ich innerlich an mich, oder auch an mein Gegenüber habe. Das bedeutet loslassen. Es ist nichts Großes. Es sind die vielen kleinen Entscheidungen, die ich tagtäglich treffe.
Die Frage ist, will ich weiter in Strategien leben oder will ich mein Leben wagen?
Aus dem Loslassen entsteht Raum. Raum für Lebendigkeit, für neue Erfahrungen. Raum, den ich benötige, damit meine Ängste sich zeigen können. Raum, um eine innere Ruhe zu erleben, die es mir möglich macht, ein, zwei Schritte zurück zu treten und mich umzuschauen. Und natürlich auch Raum, um zu erfahren, was ich denn möchte. Was sind meine Bedürfnisse, genau jetzt in diesem Moment? Was hält mich davon ab sie zu äußern, zu leben?
Dann zeigt sich unser Weg. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass jeder und jede von uns weiß, wie wir sein und leben möchten. Welche Werte wir verkörpern möchten, welchem Stern wir folgen möchten. Die Hinduisten nennen es Dharma. Die göttliche, unveränderliche Ordnung, die sich in unserem individuellen Lebensweg widerspiegelt. Und sie sagen, es sei ein Zeichen, dass wir auf dem Weg unseres Dharma sind, wenn es sich ein wenig riskant anfühle.
Unser Leben liegt nicht in der Sicherheit. Es liegt in der Freiheit unserem Herzen zu folgen. Das ins Leben zu bringen, was nur wir in die Welt bringen können. Dann lassen wir unser Licht strahlen und nehmen den Platz ein, der unser Platz ist. Und dies kann nicht geschehen, wenn wir kontrollieren wollen. Kontrolle ist das Gegenteil von Vertrauen. Dem Vertrauen, dass wir alles was kommt, wirklich alles, werden händeln können.
Welchen Weg wählen wir? Welchen Neubeginn wollen wir? Im Moment ist eine gute Zeit für einen neuen Start. Aber wir müssen uns dafür entscheiden. Die Dinge einfach laufen zu lassen, unser Opfer-Sein zu kultivieren, kostet Kraft. Wir entscheiden, was wir nähren. Nähren wir die alte Wunde oder setzen wir uns für neue Werte, für Kontakt aus dem Herzen, für liebende Beziehungen und eine Welt mit wenig Kontrolle ein? Wie möchten wir leben? Wie sollen unsere Kinder und Enkel aufwachsen?
Oder wie meine Freundin Claudia zu sagen pflegte “Entscheide dich oder für dich wird entschieden!“.